Marion Cotillard: „Es ist alles eine Frage der Liebe“

Marion Cotillard beim Fototermin zu Assassin s Creed Filmstart 27 12 2016 unter der Regie von Jus
Marion Cotillard beim Fototermin zu Assassin s Creed Filmstart 27 12 2016 unter der Regie von Jusimago/Raimund Müller
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Mit gleich drei Filmen ist Marion Cotillard demnächst im Kino zu sehen, unter anderem in einer Tragikomödie zum Thema Familie des kanadischen Regiewunderkindes Xavier Dolan.

Sie sieht aus wie eine Mischung aus Märchenprinzessin und Madonna: Eine Erscheinung, von der man sich unweigerlich angezogen fühlt. Kein Wunder, dass die Klatschpresse nach der Schockmeldung des „Brangelina“-Splits sofort den Scheidungsgrund in ihr zu finden glaubte: Eine Affäre mit seiner Filmpartnerin Marion Cotillard in „Allied – Vertraute Feinde“ (derzeit im Kino) hätte Brad Pitt angefangen, Angelina Jolie hätte ihm deshalb den Laufpass gegeben.

Besonders unangenehm waren die Gerüchte für Marion Cotillard selbst: Ist sie doch seit 2007 mit dem französischen Filmemacher Guillaume Canet zusammen, die beiden erwarten demnächst das zweite gemeinsame Kind. „Vor vielen Jahren habe ich den Mann meines Lebens getroffen, den Vater meiner Kinder. Er ist meine Liebe, mein bester Freund, und der Einzige, den ich brauche“, war ihr einziger Kommentar. Viel freimütiger spricht sie über ihre Arbeit – wie die Videogame-Adaption „Assassin's Creed“ und Xavier Dolans Familientragikomödie „Einfach das Ende der Welt“. Und darüber, wie ihre Mutterschaft den Zugang zur Schauspielerei – und zum Leben allgemein – verändert hat.

Sie haben mit Xavier Dolan die Tragikomödie „Einfach das Ende der Welt“ gedreht. Dolan gilt ja als ziemlich schwierig – wie war die Arbeit mit ihm?

Marion Cotillard: Ungewöhnlich. Spannend. Er ist ein sehr außergewöhnlicher Künstler. Anders als jeder, mit dem ich bisher gedreht habe. Er versucht, den Schauspielern immer so nah wie möglich zu sein, steht mitten am Set herum, gibt Anweisungen, während wir spielen. Oder er spielt Songs, die ihm gerade gefallen, oder er singt. Das ist oft etwas anstrengend, aber es hat mir gut gefallen. Aber Xavier und ich, wir haben uns auf den ersten Blick gut verstanden – ich würde wirklich sagen, wir sind so etwas wie Seelenverwandte. Wenn man jemanden zum ersten Mal trifft, und man hat das Gefühl, als kennt man ihn schon lang. Es gibt eine Verbindung, die man nicht wirklich erklären kann, aber die sehr stark ist. Stärker als Worte oder Gesten, sogar stärker als Liebe oder Freundschaft.

Etwas, was nicht oft im Leben passiert.

Stimmt absolut. Bei meinem Lebensgefährten, Guillaume Canet, ging es mir ähnlich: Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, war da sofort eine Verbindung zwischen uns. Wie sagt man so schön? Wir waren auf der gleichen Wellenlänge. Damals war aber noch nichts zwischen uns – es ist auch schon ewig her, fast 20 Jahre. Dann hat er die deutsche Schauspielerin Diane Kruger geheiratet, und wir blieben zwar immer in Verbindung, aber das war nur freundschaftlich. Gefunkt hat es erst viel später, 2007 war das.

Mittlerweile erwarten Sie Ihr zweites gemeinsames Kind – Ihr Sohn Marcel wird im Mai sechs Jahre alt.

Wissen Sie, ich habe das ja nie ganz ernst genommen, wenn ich gehört habe, wie sehr es einen verändert, wenn man Mutter wird. Aber seit Marcel auf der Welt ist, weiß ich, wie sehr das stimmt. Es klingt kitschig und banal, aber es stimmt.

Inwiefern hat es Sie verändert?

Man hat einfach eine andere Perspektive. Früher war ich selbst immer das Zentrum meines Lebens und habe trotzdem immer nach mir gesucht, nach dem, was ich bin. Jetzt bin ich nicht mehr das Wichtigste in meiner Welt, und ich bin auch nicht mehr auf der Suche. Ich ruhe viel mehr in mir, und habe auch viel mehr Kraft. Es ist so ein Klischee, aber es ist wahr: Draußen kann alles im Chaos versinken – aber solange mit Marcel alles in Ordnung ist, ist es das für mich auch.

Wie vereinbaren Sie Ihr Familienleben und Ihre Arbeit?

Es ist natürlich nicht einfach. Ich will bei meiner Familie sein und erleben, wie meine Kinder aufwachsen und kein bisschen davon versäumen. Andererseits möchte ich auch meine Arbeit machen. Aber als Schauspielerin kann man das zumindest zum Teil vereinen – und ich bin mir durchaus bewusst, wie privilegiert meine Situation ist. Ich arbeite ein paar Wochen, und habe dann wieder monatelang frei, das ist echter Luxus.

Aber können Sie sich noch so ohne Rücksicht auf Verluste in Ihre Rollen hineinfallen lassen?

Ja, schon. Es fällt mir nur leichter, wieder zurückzukommen. Aber ich liebe meine Arbeit, ich mag es zu spielen, und wenn man etwas liebt, dann muss man sich auch darauf einlassen können. Es ist ja letztlich alles eine Frage der Liebe.

Da Sie sagen, es fällt Ihnen leichter, zurückzukommen: Vor fast zehn Jahren haben Sie in „La vie en rose“ die legendäre Sängerin Édith Piaf gespielt. Die Rolle brachte Ihnen einen Oscar ein, und einen Haufen psychischer Probleme – Sie haben damals erzählt, wie schwer es Ihnen fiel, Édith wieder aus Ihrem System herauszubekommen.

Ja, das stimmt, das war echt hart damals. Sie war ein sehr selbstzerstörerischer Mensch, und das hat sich wirklich auf mich ausgewirkt. Ich musste sie damals förmlich aus mir austreiben, es war fast ein Exorzismus. Ich bin nach Südamerika gereist, habe uralte schamanische Zeremonien durchlaufen, alles Mögliche probiert – bis mir dann endlich aufgegangen ist, warum ich sie nicht loslassen konnte: Sie ist als Kind verlassen worden. Ihre größte Angst war es, alleingelassen zu werden.

Was ist Ihre größte Angst?

Heute ist das einfach zu beantworten: dass meiner Familie etwas zustoßen könnte. Früher waren das viele Ängste. Ich war lange Zeit ein sehr unsicherer Mensch. Ich hatte Angst zu versagen, Angst nicht geliebt zu werden, Angst, mich lächerlich zu machen. Für mich ist – wie ja für viele meiner Kollegen – die Schauspielerei ein Weg, mich ausleben zu können, ohne mich dafür genieren zu müssen – weil ich ja nicht ich selbst bin.

Sie haben einmal in einem Interview erzählt, Sie wären ein sehr schüchternes, ängstliches Kind gewesen.

Ja, das stimmt, und ich war auch immer schon sehr empfänglich für Dramen aller Art. Einer der ersten Filme, die ich im Kino gesehen habe, war „E.T.“ – und er hat mich so mitgenommen, dass meine Eltern mich aus dem Kino bringen mussten. Meine erste Existenzkrise hatte ich, glaube ich, in der Volksschule. Ich habe mich immer als Außenseiterin gefühlt und lieber in meiner Fantasiewelt gelebt, als mich mit anderen Leuten auseinanderzusetzen. Ich hatte immer ein wenig das Gefühl, dass ich sie nicht verstehe und auch nicht verstanden werde. Meine beiden jüngeren Brüder sind Zwillinge, die hatten naturgemäß ein sehr enges Verhältnis, vielleicht kam es daher, dass ich mir immer wie das fünfe Rad am Wagen vorkam.

Hat der Erfolg Sie selbstsicherer gemacht?

Der Erfolg und sicher auch die Erfahrung. Aber ich befinde mich zurzeit wirklich in einer sehr privilegierten Position. Ich bekomme großartige Angebote von großartigen Regisseuren. Das ist eine echte Machtposition in meinem Beruf. Und ich liebe es, wirklich. Die Schauspielerei ist hart, wenn man am Anfang steht, und es fühlt sich großartig an, wenn man damit Erfolg hat. Ich muss keine Angst mehr haben, meine Leidenschaft für meinen Beruf so auszuleben, wie ich es für richtig halte.

Aber wie sieht das mit den berühmt-berüchtigten Nachteilen Ihres Celebrity-Status aus?

Klar werde ich erkannt – aber die Menschen sind grundsätzlich wirklich nett. Ich kann mich tatsächlich nicht beklagen. Es kommt natürlich darauf an, wo man hingeht, aber ich lebe eigentlich recht unbeschwert. Ich mag mich auch nicht verkleiden oder verstellen. Ich habe so viele Masken auf, wenn ich arbeite, im Privatleben will ich einfach nur ich selbst sein. Mittlerweile habe ich damit kein Problem mehr.

Steckbrief

1975 wurde Marion Cotillard in Paris geboren. Für ihre Darstellung der Édith Piaf gewann sie 2007 den Oscar, Golden Globe, British Academy Film Award und einen César. Mit Regisseur Guillaume Canet erwartet sie ihr zweites Kind.

Derzeit ist Cotillard mit Brad Pitt in Robert Zemeckis „Allied – Vertraute Feinde“ im Kino zu sehen. Am 27. Dezember folgt die Videospieladaption „Assassin's Creed“ mit Michael Fassbender und am 30. Dezember Xavier Dolans Familientragikomödie „Einfach das Ende der Welt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2016)

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