Die Säule des Hedonismus: Georg Birons „Geile Weiber“

Georg Biron (re.) im Gespräch mit „Presse“-Redakteur Samir H. Köck.
Georg Biron (re.) im Gespräch mit „Presse“-Redakteur Samir H. Köck.(c) Valerie Voithofer
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In seinem neuen Buch widmet sich Biron dem Genre Porno. Seine Lesungen hält er nicht in Literatursalons, sondern in schummrigen Bars.

Er ist mehr Mann als andere. Nicht nur wegen seiner Leibesfülle. Zum Interview kommt Georg Biron mit frisch ausgeschlagenen Vorderzähnen. Seine Worte schweben durch eine klaffende Lücke. „Glatzen waren's. Die haben türkische Mädels belästigt. Da bin ich dazwischengegangen.“

Frauen waren ihm von jeher wichtig. Dennoch überrascht, dass er, der vor einigen Jahren eine sehr kenntnisreiche Biografie von Helmut Qualtinger vorgelegt hat, sich nun mit dem Bändchen „Geile Weiber“ der Textsorte Porno gewidmet hat. Auf Vermittlung des Sexualforschers Ernest Bornemann tat er es jedoch schon früher einmal. „Er hat mich mit einem Sammler bekannt gemacht, der ganz exklusive Sexliteratur von mir wollte. Mit Füllfeder auf Büttenpapier geschrieben. Das hat mich an den amerikanischen Schriftsteller Henry Miller erinnert, der etwas Ähnliches in Paris für einen Bankier gemacht hat. Also hab ich zugesagt.“

Wider den sterilen Zeitgeist

Diesmal hat der umtriebige Autor allerdings selbst die Initiative ergriffen. Allein schon, weil es ihn nervt, wie sehr der sterile Zeitgeist die Sinnlichkeit beeinflusst. „Wie es heute läuft, finde ich entsetzlich. Für mich ist es unvorstellbar, mir übers Internet eine Partnerin zu suchen. Ich brauche den Geruch und den Geschmack und den Klang der Stimme. Und nicht ein Profil, das abgeglichen wird. Das ist ja unpackbar. Früher war freie Sexualität auch eine politische Kategorie. Sie war Teil der Auflehnung gegen das Establishment.“ Heute ist sie gegängelt durch unsichtbare Mächte. „Das Erleben ist in unseren Breiten so passiv geworden. Selbst Youngsters wie mein Sohn schauen Verbotenes lieber im Internet an, statt im wirklichen Leben anzubandeln.“

Unterwegs mit Udo Proksch

Um das Verdrängte und Bezähmte wieder etwas in den Vordergrund zu locken, hat er einen überraschend witzigen Erotikroman komponiert. Gern erläuterte er den etwas derb klingenden Titel. „Man muss unterscheiden, ob die Zuschreibung ,geil‘ von einem Mann oder von Frauen selbst kommt. Mir ist Zweiteres lieber. Das hat dann etwas mit Sinnlichkeit und Selbstbewusstsein zu tun.“

Auf den Genuss des eigenen Leibes verstand sich Biron immer schon. Seit den späten Siebzigerjahren kennt man ihn aus allerlei Bars und Lokalen als Säule eines polymorphen Hedonismus. Wein, Weib und Gesang war immer seines. Seine Zechkumpane waren nicht unprominent. Rocksänger Eric Burdon zum Beispiel. Auch die feinsinnigen Schauspieler Oskar Werner und Richard Burton zählten dazu. Mit dem Frauenmagneten Udo Proksch zog er durch die Lokale der Wiener Innenstadt. „Er war ein Strippenzieher mit poetischer Ader. Mit ihm ist es mir so gegangen wie Holly Martins im ,Dritten Mann‘. Er hat auch nicht glauben können, dass sein Freund Harry Lime etwas Böses macht.“

Geschrieben hat Biron damals viel für den deutschen „Playboy“, ein Magazin, das es verstand, die Spannung zwischen archaischen Trieben und deren sublimer Literarisierung zu vermitteln. Selbst literarische Kapazitäten wie etwa Gabriel García Márquez und Günter Grass waren im sogenannten Busenhefterl zu lesen. Der Trend zum effeminierten Mann und zur sogenannten Metrosexualität war damals noch nicht vorauszuahnen. Heute droht das Aussterben der gestandenen Mannsbilder.

Zwei Drittel Frauen

Welche Kräfte sind denn da am Werk? „Das ist eine Verschwörung von Frauen in meinungsbildenden Gremien“, vermutet Biron, „mittlerweile kommen aber auch die drauf, dass sie eigentlich doch nicht ausschließlich handzahme Männer haben wollen.“ Sein neues Buch liest er ausschließlich in Bars und Lokalen. „Solche Schriften passen eben nicht in die literarische Salonwelt.“

Tröstlich ist für ihn, dass das Publikum seiner Lesungen zu zwei Dritteln aus Frauen besteht. „Ihnen kann es erzählerisch gar nicht genug auf dem Punkt sein. Männer sind da eher auf Bilder als auf Sprache fixiert.“ Überhaupt hat der Literat trotz imposanter Leibesfülle privat nie Kontaktprobleme. „Es war immer klar, dass ich kein Unterhosenmodel bin. Da kam keine auf die Idee, mir zu sagen: ,Mach eine Diät!‘“

Zur Person

Leben. Georg Biron wurde 1958 in Wien geboren und wuchs im Gemeindebau in Penzing auf. Er studierte in Wien Jura und später Publizistik und Theaterwissenschaften. Er lernte in dieser Zeit unter anderem Elfriede Jelinek, Oskar Werner, Wolfgang Bauer oder Helmut Qualtinger kennen, über den er später eine viel beachtete Biografie schrieb. Zu den Werken des Schriftstellers, Drehbuchautors, Regisseurs und Schauspielers gehören unter anderem auch „Opfer der Liebe“ und das neue Buch „Geile Weiber“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2017)

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