Georg Ringsgwandl: "Die meiste Kunst geht schief"

(c) Clemens Fabry
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25 Jahre ist es her, dass Kabarettist und Sänger Georg Ringsgwandl seinen Job als Oberarzt aufgegeben hat. Über Ehrlichkeit, Erfolg und die Oberpfalz.

Georg Ringsgwandl überlegt kurz. 24, nein 25 Jahre sei es jetzt her, dass er, als Familienvater mit drei Kindern, Haus und Schulden, seinen Job als Oberarzt gekündigt hat. „Entsetzt bis belustigt“ hätten die Kollegen damals reagiert, „manche haben sich schon ans Hirn g'langt“.

Das Thema im Gespräch aufgebracht hat die Geschichte einer Frau „aus der Welt der Chefredakteure und Fernsehleute“, über die Ringsgwandl auf seinem neuen Album singt. Alles in ihrem Leben sei furchtbar, findet selbige Frau, doch, wie Ringsgwandl singt, „anders darf's nicht sein“. (Die Dame habe das Lied übrigens gehört, ohne sich selbst zu erkennen). Sich zu beklagen, „aber nicht den Arsch hochzukriegen und etwas zu ändern“ – ein Phänomen, von dem sich der Bayer nicht ausnimmt. „Grad ich selber leb auch mit Kompromissen, wo man sagen könnt: ,Georg, da könntest mal was tun.‘“

Immerhin, 1992 hat er die Entscheidung getroffen, nicht mehr Kardiologe sein zu wollen. Freilich, „das war nicht so, dass man da leichtfertig sagt: ,Ich mach jetzt auf Kunst.‘“ Und entscheiden könne man das auch nur allein, „indem man in Exerzitien geht und sich ehrlich überlegt: Reichen meine Begabung, mein Mut, meine Kraft, meine Zähigkeit, meine Ausdauer, mein Hirn, um darauf ein Leben zu gründen?“ Und die skeptischen Kollegen, die hätten „für das normale bekannte Leben natürlich recht gehabt. Aber es gibt Fälle, in denen es anders ist.“ Fälle wie seinen.

Geboren als Sohn eines kriegsversehrten Postlers in Bad Reichhall hart an der österreichischen Grenze mit Verwandtschaft in Salzburg und Hallein, bekam er mit acht eine Zither geschenkt und trat bei einem Kaffeekränzchen auf, mit zwölf entdeckte er den Jazz und die Posaune, mit 18, während einer schweren Lungen-Tbc, brachte er sich das Gitarrespielen bei.

1978, als Dreißigjähriger und noch als Arzt, betrat er mit „Gurkenkönigs Hausfrauenshow“ mit Transvestiten, Go-go-Girls und schrillen Kostümen die Bühne, später allein mit Gitarre oder als Trio, mit dem er 1986 erstmals allein einen ganzen Abend bestritt. Dass er 1987 den Salzburger Stier gewann, half. Kurz vorher war seine erste Platte erschienen, „und wir haben damals überhaupt keine Auftritte gehabt, waren wirklich komplett erfolglos“.

Der österreichische Kleinkunstpreis brachte ihm Aufmerksamkeit, so wie spätere Musikpreise, fast gewann er auch einen in Literatur. In Genreschubladen passte er nie wirklich. Das mit dem Kabarett sei überhaupt passiert. „Meine Arbeit hat sich immer auf die Musik bezogen. Irgendwann hab ich angefangen, zwischen den Songs ein paar Worte zu sagen. Ich hab nie aufgeschriebene Geschichten gehabt.“ Den „sogenannten großen Erfolg“ habe er zwischen Punk und Liedern, Theater und Rockmusicals wohl nicht erzielt. „Für mich war immer wichtig, dass das, was ich mache, lebendig ist, dass ich keine Masche totreite.“

Illusionen über seine Kollegen macht er sich nach Jahrzehnten im Showbusiness keine. „Das meiste, was künstlerisch probiert wird, geht schief.“ Nur darüber reden würde natürlich niemand. „Ehrlichkeit unter Künstlern ist eine noch seltenere Ressource als seltene Erden. Die Konkurrenz unter Künstlern ist erbarmungslos. Alle kämpfen ums Überleben – und je mehr Geld sie haben, desto kritischer wird's.“ Ein berühmter deutscher Kabarettistenkollege habe ihm vor zwei Jahren entsetzt gestanden, ihm brächen die Einkünfte weg. „Weil er in dem Jahr bloß 1,2 Millionen verdient hat – und nicht drei oder vier.“

Er selbst träumt mit seinen knapp 70 Jahren manchmal, „wenn der Druck und die Probleme des Rock 'n' Roll an mir zerren“, ja von der Oberpfalz. Während die Figur auf seinem Album von dort flieht, würde er mitunter gern hin. „Ganz hinten in der Oberpfalz“ sei eine Metapher „für ein dünn besiedeltes Gebiet, wo es noch ganz stad und ruhig zugeht. Ich würde mir inkognito beim Bäcker meine Semmeln kaufen. Und ab und zu ins Wirtshaus gehen.“

ZUR PERSON

Georg Ringsgwandl kam 1948 in ärmlichen Verhältnissen in Bad Reichhall zur Welt. Er wurde Kardiologe, gab den Beruf mit 45 Jahren zugunsten der Musik auf. Sein neues Album, „Woanders“, nahm er mit seiner Band in seiner Münchner Altbauwohnung auf. Diese „Stubenmusi“ sei ein lang gehegter Traum und reine Koketterie. „Es schaut einfach aus, aber dafür brauchst du ausgefuchste Cracks, die gut aufeinander eingespielt sind.“ Am 18. Jänner startet seine Tour in Linz, am 19. und 20. 1. gastiert er im Wiener Stadtsaal, bis Mai folgen weitere Termine in ganz Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2017)

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