Das Wohnzimmer als Bühne

(c) Julie Brass
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Das „Theater im Wohnzimmer“, das in privaten Wohnungen vor wenigen Menschen spielt, wird heuer zehn Jahre alt.

Es ist eine in den Köpfen fest verankerte Konvention: Wer ins Theater gehen will, muss ins Theater gehen. Muss er das wirklich? Und warum eigentlich?

Diese Fragen stellte sich vor mehr als zehn Jahren eine Gruppe junger Schauspieler, die den seit Jahrhunderten einstudierten Usus umdrehten: Nicht das Publikum geht ins Theater – das Theater kommt zum Publikum. Und zwar so richtig nach Hause, direkt ins Wohnzimmer, und spielt dort, auf kleinem Raum, in kleinem Rahmen. „Da war damals sehr viel kreative Jungschauspielerenergie am Werk“, erinnert sich Schauspieler Markus Tavakoli, der ziemlich bald zum ursprünglichen Ensemble – Manuel Rubey, Géza Terner und Dominik Kaschke – dazustieß. Und natürlich, sagt Tavakoli, nicht nur das: „Es war auch ein bisschen aus der Not heraus: Als junger Schauspieler spielst du nicht gleich am Burgtheater und drehst 28 Filme.“

Nach einigem Ausprobieren in den jeweiligen WGs war also vor zehn Jahren das Theater im Wohnzimmer geboren. Die Grundidee hat sich in all den Jahren nicht wesentlich geändert, auch das allererste Stück, „Kunst“ von Yasmina Reza, steht derzeit wieder auf dem Spielplan.

Weil es „wahnsinnig schwierig“ sei, Stücke zu finden, die man in einem einzigen Raum und mit kleinem Ensemble inszenieren kann und die trotzdem niveauvoll sind. „Die Stücke sollen unterhalten, man soll auch lachen können, aber nachher schon auch darüber nachdenken müssen“, sagt Tavakoli, der bei einem weiteren (und dank der Verfilmung mit Christoph Waltz sehr bekannten) Stück von Reza, „Gott des Gemetzels“, Regie führt.

Jeder Abend ist anders

Die Erfahrung, in einem Wohnzimmer (ein weiteres Stück, „Und abends Gäste“ spielt in einer Küche und wird ebendort aufgeführt) für einige wenige Menschen sehr unmittelbar Theater zu spielen, ist nicht nur für die Zuseher ungewohnt, sondern auch für die Darsteller: „Die Beziehung zwischen Schauspielern und Publikum ist viel intensiver, man bekommt alles mit, man spürt noch mehr als im Theater, ob die Zuseher am Stück dran sind oder nicht, ob sie sich amüsieren.“

Da die Bühne – das jeweilige Wohnzimmer – niemals gleich ist, kann es auch keine starren Regieanweisungen à la „Hier gehst du ab“ oder „In dieser Szene stehst du hier“ geben. Alles ist im Wandel, auch die Kollegen: „Wir haben für jede Rolle eine Zweit-, oft auch eine Drittbesetzung.“ Denn jeder der Schauspieler – derzeit sind elf im Ensemble, darunter Gründungsmitglied Terner, Daniela Kong und Florian Eisner – hat auch andere Engagements und fällt immer wieder für einige Zeit aus. So viel Freiraum, so viel Improvisation liegt nicht jedem Schauspieler. „Für manche Kollegen, denen ich davon erzähle, ist das der reinste Horror“, sagt Tavakoli.

Das Theater im Wohnzimmer kommt (fast) überallhin. Das kleinste Wohnzimmer, in dem sie aufgetreten sind, war gerade zwölf Quadratmeter groß, im Normalfall aber sollte der Raum schon größer sein. Für „Gott des Gemetzels“ etwa braucht man eine Couch, auf der vier Personen sitzen können und ein wenig Bewegungsfreiheit. Das alles wird aber mit den jeweiligen Kunden besprochen, die oft viele Fragen haben: Wie viele Sitzreihen kann ich aufstellen? Sollen die Gäste vorher oder nachher essen? (Nachher, sonst sind sie müde!)

Die meisten Engagements hat man im Wiener Raum, allerdings kann man das Theater im Wohnzimmer grundsätzlich im gesamten deutschsprachigen Raum buchen. Auch in Hamburg habe man schon gespielt. „In einer riesigen, neu gebauten Villa ohne Fenster, nur Beton, mitten im Rohbau.“

Nach der Vorstellung ist es üblich, dass die Schauspieler noch bleiben und mit ihrem Publikum plaudern und über das Stück diskutieren. „Und auch das“, sagt Tavakoli, „hat man als Schauspieler im Theater ja nicht oft.“ Sondern nur im Wohnzimmer.

AUF EINEN BLICK

Das Theater im Wohnzimmer wurde vor zehn Jahren von Jungschauspielern gegründet. Schauspieler und Regisseur Markus Tavakoli (Bild) ist (fast) von Anfang an dabei. Das Theaterensemble hat derzeit drei, bald vier Stücke im Repertoire, die sie im Wohnzimmer bzw. in der Küche in Privatwohnungen spielen. Kosten auf Anfrage. Infos unter: www.theaterimwohnzimmer.at oder

0680/231 80 07. [ Eva Würdinger ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2017)

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