Die Hofburg als Kaffeehaus

Kaffeesiederball (Archivbild)
Kaffeesiederball (Archivbild)(c) Teresa Zötl
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Anna Karnitscher lädt morgen zum 60. Kaffeesiederball. Damit folgt die „Café Weidinger“-Chefin ihrem Vater, der den Ball einst mitbegründet hat.

Auf ihrem ersten Kaffeesiederball, erinnert sich Anna Karnitscher, da sei sie aus einem überdimensionalen Kaffeekännchen gesprungen. Nur dass die Fotografen nicht schnell genug waren, weshalb sie ihre Einlage wiederholen musste. Eine Ausnahme für die damals Zehnjährige: Eigentlich hatte sie ihrem Vater schon als kleines Kind eine schriftliche Bestätigung ausgestellt, „dass ich nie auf den Ball gehen würde.“

Sie hielt sich nicht daran. Ein paar Jahre nach ihrem Debüt eröffnete sie mit ihrem Bruder, später noch einmal als Studentin, und heuer eröffnet Anna Karnitscher den Ball der Wiener Kaffeesieder zum ersten Mal als dessen Chefin. Just zum 60-Jahr-Jubiläum schließt sich damit ein Kreis. Mit der Gründung des Klubs der Kaffeehausbesitzer und der ersten Ausrichtung des Balls hatte Karnitschers Vater Ernst Weidinger einst Pionierarbeit geleistet, um dem Kaffeehaussterben (davon sprach man schon nach dem Zweiten Weltkrieg) entgegen zu wirken.

Eine Aufgabe, die man bis heute verfolgt, auch wenn längst nicht mehr das Parkhotel Schönbrunn, sondern die Hofburg als „Wiens größtes Kaffeehaus“ fungiert. Die einzelnen Kaffeesieder – die Namen reichen von Diglas über Hawelka bis Hummel – sollen dabei, so die Idee, quasi alle als Gastgeber auftreten und daran erinnern, dass die Wiener Kaffeehäuser so vielfältig seien wie ihre Besitzer.

Das Weidinger zum Beispiel, am viel befahrenen Gürtel neben der Lugner City gelegen, ist eines jener Kaffeehäuser, in das man keinen Fuß setzen würde, wüsste man nicht, was sich hinter der abweisenden Tür verbirgt. Eine Oase der Ruhe voller Patina nämlich, die alte Stammgäste wie Schüler zu schätzen wissen. Geführt wird das Café heute von Karnitschers Bruder, sie selbst erledigt seit jeher die Buchhaltung – eigentlich hat sie nämlich Wirtschaftsinformatik studiert.

„Der Ball ist klimaneutral“

Auch im Klub der Kaffeehausbesitzer hatte sie lange die Funktion der Rechnungsprüferin, eine eher undankbare Aufgabe, als sie im Vorjahr auf dem Konto-Unregelmäßigkeiten ihres nunmehrigen Vorgängers Max Platzer aufdecken musste (mit ihm gebe es eine Rückzahlungsvereinbarung, die eingehalten wird, betont Karnitscher, und der Ball habe ihm viel zu verdanken).

Als „Ballmutter“ sieht sie sich nicht. Dass man sich plötzlich für ihr Kleid interessiert (es ist von Lena Hoschek und wird versteigert), stresst sie. Sie sei, sagt Karnitscher, einfach „die, die das Ballhandy betreut“. Und habe sich eigentlich deshalb bei den Kaffeesiedern zu engagieren begonnen, weil ihr das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liege. „Es gibt so viele Möglichkeiten für einen Betrieb, energieeffizienter zu werden.“ Der Ball sei einfach die beste Möglichkeit, Inhalte an die eigenen Klubmitglieder zu kommunizieren. Als erste Veranstaltung seiner Art sei der Ball „klimaneutral“.

Mit Kostüm- und Bühnenbildner Christof Cremer steht Karnitscher dabei ein Profi zur Seite, der seinen Aufgabenbereich als künstlerischer Leiter ebenfalls großzügig definiert. Zum Jubiläum hat Cremer eine programmatische „Jubiläumsmischung“ zusammengestellt – bis hin zu historischen Etiketten auf den Gösser-Flaschen und Retro-Plakaten von Campari. An die Fünfziger erinnert auch das Ballsujet – eine Audrey-Hepburn-Hommage mit Porzellantasse (beigestellt von Karnitschers Mutter, das Diadem ist eigentlich das Collier einer Kaffeesiederin. )

Zur Eröffnung ließ man sich vom Mambo der „West Side Story“ inspirieren, die 1957 ihre Uraufführung feierte – im gleichen Jahr wie der Kaffeesiederball. Passend dazu singt Hila Fahima, ein junges Ensemblemitglied der Staatsoper, „Je veux vivre“ aus „Roméo et Juliette“. Die Auswahl der Künstler ist den Kaffeesiedern wichtig. „Ein Gespür für den Puls der Zeit zu zeigen“ formuliert Cremer den Anspruch. Die Kostüme für die Tänzer hat er selbst entworfen – und Martino Zanetti, Chef der Triestiner Rösterei Hausbrandt, hat sie finanziert. Der sei seinerseits nämlich ein großer Shakespeare-Fan, so greife eins ins andere. Und in Zeiten, in denen die Fotos sofort auf Facebook landen, „ist so etwas ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal.“ Cremer hat auch eine Vermutung, warum der Ball der Kaffeesieder nach jenem der Jäger nicht nur als der zweitgrößte, sondern auch als der vielleicht amüsanteste gilt. „Weil er einen Querschnitt der Wiener Gesellschaft zeigt. Es ist wie im Kaffeehaus: Niemand fühlt sich fehl am Platz.“

ZUR PERSON

Anna Karnitscher ist die Tochter Ernst Weidingers, der das Café Weidinger am Wiener Gürtel führte. Er hat den Klub der Kaffeehausbesitzer mitbegründet und die ersten Kaffeesiederbälle organisiert. Karnitscher hat auf dem Ball ursprünglich die Abendkassa betreut, heuer führt sie zum ersten Mal mit Christof Cremer Regie. Der Ball dient bis heute der Finanzierung der Klubaktivitäten. Die Karten für den Ball am 17. Februar sind bereits ausverkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2017)

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