Der Thrill des Abfahrers auf den letzten Metern

(c) Maurice Andre Shourot / picturedesk.com
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Skilegende Marc Girardelli hat mit Michaela Grünig sein erstes Buch geschrieben. Keine Autobiografie, sondern einen Skikriminalroman.

Als Marc Girardelli und Michaela Grünig ihren Kriminalroman „Abfahrt in den Tod“ während der Ski-WM in St. Moritz präsentierten, ahnten sie nicht, wie aktuell manche Passage daraus sein würde: Am 17. Februar sorgte eine abstürzende Kamera im Zielraum des WM-Riesenslaloms für Aufregung (eine Fliegerstaffel durchtrennte das Seil), und schnell erinnerte man sich an die Situation, als Marcel Hirscher 2015 in Madonna beim Absturz eines unbemannten Flugobjekts einem Unglück entging.

So startet auch der Girardelli-Grünig-Krimi: Der Favorit des Weltcuprennens fährt Tausendstelsekunden einer abstürzenden Drohne davon. Nicht von ungefähr heißt dieser Abfahrer Marc wie die Skilegende aus den 1980ern und 1990ern. Und nicht von ungefähr leben die Beschreibungen von der Innensicht des Spitzensportlers, sodass der Leser die Wengener Lauberhornabfahrt im Girardelli-Style mitfährt: mit flammenden Schenkeln, risikotechnisch an der Grenze, mental gefordert. Diese inneren Monologe waren unter anderem sein Part in der kriminalistischen Zusammenarbeit.

Die Innensicht beim Rennen

„Ich wollte nie eine Biografie schreiben“, verneint der zigfache Weltmeister und Weltcupgesamtsieger, Stenmark- und Zurbriggen-Konkurrent die Frage nach dem Bedürfnis textlicher Selbstdarstellung. Ein Skikrimi jedoch bot eine distanziertere Möglichkeit, „Emotionen und Gefahren, die man im Weltcup erlebt hat, zu schildern. Die Gefühle der Hauptfigur im Buch sind wirklich autobiografisch.“ Anderes erscheint bewusst mehr oder weniger drastisch: tragische Unfälle, Intrigen im Sportevent-Verwertungsumfeld, Breitseiten von Kollegen anderer Teams. „Ich hab nicht nur ein Mal die höfliche Einladung zum Fußballspielen erhalten, um mich aus dem Weg zu räumen. Manche werden vielleicht ein schlechtes Gewissen haben“, lacht der 53-Jährige, der vieles mit Humor nimmt, zugleich aber ernsthaft an Dinge herangeht – denn früh trainierte das junge Skigenie allein beziehungsweise mit seinem Vater. Lang war der gebürtige Vorarlberger Einzelkämpfer unter luxemburgischer Flagge – „es blieb mir nichts anderes übrig“. Dennoch ist der fünffache Weltcupsieger etlichen Kollegen bis heute freundschaftlich verbunden. Nach dem Rücktritt 1997 war der Allrounder umtriebig: Hotel, Skihalle, Skibekleidung, Vertretung für Rennski und Sportequipment, Trainer und schon lang Eventmanagement für internationale Unternehmen. Wie passt das Schreiben ins Bild, wenn der Tag doch nur 24 Stunden hat? Girardelli ist schnell, hat aber das Bedürfnis, sich intensiver einzulassen: Schreiben und Lesen waren immer wichtig für ihn, der regelmäßig für die „Vorarlberger Nachrichten“ Kolumnen verfasst und dabei ziemlich direkt sagt, was er denkt.

„Bei den Trainings als Kind war ich viel allein. Also hab ich dazwischen sehr viel gelesen. Geschichte hat mich schon immer fasziniert.“ Heute liegen Wissenschaftsbücher, Biografien und Historisches auf dem Nachtkasterl. „Mich interessieren Menschen und das, was sie geleistet haben“, erzählt der Sportler, der vier Sprachen spricht. Es gehe nicht darum, im Mittelpunkt zu stehen, sondern ständig dazuzulernen. „Ich bin fast nur auf Empfang. Die Welt ist so groß, und ich weiß noch so wenig.“

Warum es ein Krimi geworden ist? „Ich bin kein großer Fan von Fantasy oder Science-Fiction.“ So orientiert sich der Plot am realen Rahmen, man begegnet Marc, der Hauptfigur, und Andrea, der Polizistin, in Wengen, Kitzbühel oder der Schweiz, wo Girardelli mit seiner Familie wohnt. Schauplatzwechsel und Tempo: Im Winter führt Girardelli ein ähnlich mobiles Leben wie als Rennläufer und sein Alter Ego im Krimi. „Organisation ist für mich das Geringste, denn ich musste von Kind an vieles selbst managen: Hotels, Reisen, Trainings, Serviceleute.“ Wobei die Events, die er heute organisiert, immer mit Skifahren zu tun haben. Für die Promotion stieg Girardelli noch einmal in einen Rennanzug: das legendäre Schweizer Modell mit den Käselöchern – „von Daniel Mahrer ausgeborgt“. Und als Nächstes? „Ich hab schon Material für einen nächsten Band im Hinterkopf.“

ZUR PERSON

Marc Girardelli hat in den 1980er- und 1990er-Jahren ziemlich alles im Skiweltcup gewonnen. Der Vorarlberger lebt heute als Unternehmer in der Schweiz. Michaela Grünig stammt aus Köln, lebt in der Schweiz und ist Autorin von Krimis und Romanen.

Buch: Marc Girardelli, Michaela Grünig: „Abfahrt in den Tod“, Emons-Verlag, 11,30 €.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2017)

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