„Wir durften nicht sagen, dass Handke da ist“

„Bin gern von Dingen umgeben, die mir gefallen“: Jutta Skokan, Intendantin in Gmunden.
„Bin gern von Dingen umgeben, die mir gefallen“: Jutta Skokan, Intendantin in Gmunden.(c) Michele Pauty (Michele Pauty)
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Festwochen Gmunden. Intendantin Jutta Skokan über das 30-Jahr-Jubiläum, das Publikum im Salzkammergut, das nicht so konservativ ist, wie man annehmen könnte – und ihren Wunsch nach einer Theatereigenproduktion.

Die Presse: Die Festwochen Gmunden feiern ihren 30. Geburtstag, Sie sind seit 20 Jahren Intendantin. Was sind denn die Highlights in diesem Jahr?

Jutta Skokan: Philip Glass gibt ein Galakonzert. Er war schon vor 20 Jahren hier, als ich gerade Intendantin geworden bin. Der Literaturschwerpunkt ist Barbara Frischmuth gewidmet. Christoph Croisé musiziert, Michael Heltau präsentiert sein Soloprogramm „I brauch kan Pflanz“, Dirigent Dennis Russell Davies und die japanische Pianistin Maki Namekawa kommen jedes Jahr, auch Martin Schwab, Chris Pichler, Paul Zauner.

Vor 20 Jahren war Minimal Music, schätze ich, in konservativen Kreisen nicht so akzeptiert . . .

Genau. Wir haben trotzdem eine Reihe mit Minimal Music gemacht, Steve Reich, Michael Nyman, Terry Riley eingeladen. Mit der Zeit lässt sich das Publikum auf vieles ein, auch auf Kunst, die es nicht kennt.

Man stellt sich Kunstfreunde im Salzkammergut eher nicht als progressiv vor.

Wir bieten ein sehr vielfältiges Programm an und schauen, dass wir verschiedene Sparten so vernetzen, dass sich ein Gesamteindruck ergibt. Die Zuschauer gehen zu Lesungen von Burgschauspielern, aber auch zu außergewöhnlicher neuer Musik.

Das Festival bespielt heuer sogar einen Golfplatz.

Warum nicht? Wir suchen immer ungewöhnliche Orte. Auch von anderen Golfplätzen haben wir Anfragen bekommen. Den Leuten gefällt es: An einem Tag findet ein Turnier statt und am nächsten ein Konzert, und dann kommen sie oft auch zu anderen Veranstaltungen der Festwochen.

Der Philosoph Franz Schuh ist ein wichtiger Ratgeber bzw. Programmgestalter für Gmunden. Heuer gibt es ein Gespräch über Ordnung und Unordnung. Wie halten Sie persönlich es damit?

Das Erstere wird angestrebt, das Zweitere ist manchmal der Fall. Ich bin eine Sammlerin, ich habe das nie bereut, weil ich es schön finde, von Dingen umgeben zu sein, die mir gefallen. Aber ich muss mich immer wieder bremsen.

Was sammeln Sie denn?

Handtaschen.

Gucci?

Nichts so Tolles. Ich gehe auf Flohmärkte und schaue, was es an schön verarbeitetem Leder gibt. Ich sammle auch Pfeffer- und Salzstreuer und natürlich Bücher.

Sie haben eine kaufmännische Ausbildung, haben dann aber als Schriftstellerin begonnen, bevor Sie Intendantin wurden.

Früher habe ich intensiv geschrieben, Gedichte, Kurzprosa, Erzählungen. Ich habe den Rauriser Förderungspreis bekommen und andere Preise. Aber irgendwann musste ich mich entscheiden: Was mache ich, wovon ich leben kann? Daher habe ich beschlossen, im Veranstaltungsbereich tätig zu werden.

Hätten Sie gern einen großen Roman geschrieben?

Vielleicht werde ich wieder schreiben, wenn ich irgendwann weniger arbeite. Ein großer Roman ist aber unrealistisch.

Schreiben Sie mit der Hand?

Ja. Dabei habe ich den ersten Computer schon vor 30 Jahren bekommen.

Gmunden ist Thomas-Bernhard-Land, die Festwochen haben immer wieder Veranstaltungen mit seinen Werken, darunter auch heuer im Bernhard-Haus in Ohlsdorf. Bernhard war nicht immer ein Publikumsliebling . . .

Stimmt. Als wir mit Bernhard begonnen haben, das war nicht leicht. Da saßen noch die Leute im Publikum, die er namentlich beschrieben und gehasst hat. Und die haben ihn gehasst und „Buh“ gerufen. Aber mit der Zeit haben die Besucher entdeckt, dass Bernhard auch andere Seiten hat, und sie wollten nicht als kleinkariert dastehen. Sie haben auch festgestellt, dass an dem, was er geschrieben hat, was Wahres dran ist. Grischka Voss wird heuer eine Performance „Noch ein Fest für Boris“ machen, und vom Zimmertheater Tübingen kommt ein ausgezeichnetes Gastspiel „Vor dem Ruhestand“.

Mochten Sie Thomas Bernhard von Anfang an?

Ja, ich habe ihn verehrt.

Auch Peter Handke ist zu den Gmundener Festwochen gekommen.

Ihm war unser erster Literaturschwerpunkt gewidmet. Es kamen damals auch Wim Wenders und Bruno Ganz, die mit ihm befreundet sind. Wir durften allerdings nicht ankündigen, dass er da ist, denn Handke wollte nicht, dass die Leute zum „Handke-Schauen“ kommen.

Wer sind die Besucher, die zu den Festwochen Gmunden kommen?

Ein Drittel kommt aus der Region, zwei Drittel von auswärts. Es sind viele Zweitwohnungsbesitzer, auch Touristen aus dem süddeutschen Raum oder aus Wien.

Gibt es Konkurrenz mit dem Attergauer Kultursommer oder gar den großen Salzburger Festspielen?

Klassik geht immer. Wir haben ein sehr wohlwollendes Publikum, aber natürlich fahren die Leute auch nach Grafenegg, Ischl, Salzburg oder zum Attergauer Kultursommer. Wir sind immer bereit, uns zu vernetzen. Unsere Besonderheit ist, dass bei uns die Künstler quasi zum Angreifen da sind, man bleibt noch zusammen nach den Veranstaltungen.

Es würde Ihnen nicht einfallen, im Sommer eine Weltreise zu machen?

Bestimmt nicht.

Müssen Sie als Gastgeberin immer präsent sein?

Ich weiß nicht, ob ich es muss, vielleicht bilde ich es mir nur ein. Es macht mir jedenfalls großen Spaß. Ich reise aber sehr gern, wenn ich Zeit habe. Ich habe einen Sohn, der in Hongkong verheiratet ist, da würde ich auf der Stelle wieder hinfahren. Aber eben nicht jetzt.

Haben Sie ein Traumprojekt?

Ja, seit vielen Jahren. Wir möchten eine Eigenproduktion machen, und zwar im Gmundener Stadttheater, das während des Jahres ein Kino ist und von Veranstaltern angemietet werden kann. Die österreichische Schriftstellerin und bildende Künstlerin Teresa Präauer interessiert mich, sie schreibt auch Stücke. Ich würde mir wünschen, jemand käme und würde sagen: Ja, die Theaterproduktion finanziere ich.

Wie hoch ist das Budget der Festwochen Gmunden?

Wir haben ein Budget von 600.000 Euro, ein Prozent des Budgets der Salzburger Festspiele. Ein Drittel davon ist Subvention, ein Drittel geben Sponsoren, darunter der Tourismusverband, ein Drittel sind Karteneinnahmen. Es gibt jedes Jahr viel mehr Wünsche als Möglichkeiten, und es ist immer, wie ich sage, ein Ritt über den Traunsee. Denn wir sind ein gemeinnütziger Verein und sollen kein Defizit machen.

ZUR PERSON

Jutta Skokan wurde in Lambach in Oberösterreich geboren und absolvierte die Handelsschule in Wels. Sie war Managerin (in der Kunststoffbranche und im Verlagswesen), Schriftstellerin, Firmentrainerin. Seit 20 Jahren leitet sie die Festwochen Gmunden, die jährlich 15.000 Besucher anlocken. Heuer gibt es 50 Veranstaltungen, ab 25. 6., die offizielle Laufzeit der Festwochen ist von 13. Juli bis 20. August.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2017)

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