Stadtleben

Kino aus den Wadeln

Andreas Reiter (l.) und Alec Hager laden heute an den Donaukanal.
Andreas Reiter (l.) und Alec Hager laden heute an den Donaukanal. (c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Seit fünf Jahren lässt der Cycle Cinema Club seine Gäste strampeln. Mit dem so erzeugten Strom wird Wiens erstes Fahrradkino betrieben.

Wenn die Sonne heute Abend über dem Donaukanal untergeht, und es dunkel wird – dann laufen langsam die Räder an. Die ersten Gäste werden in die Pedale treten, und die Energie, die sie produzieren, wird ein Kinobild auf die Leinwand werfen. 10 bis 15 Minuten würden die Radler im Durchschnitt durchhalten, sagt Andreas Reiter. Wer klingelt oder die Hand hebt, wird vom nächsten Freiwilligen abgelöst.

Die Idee zu Wiens erstem Fahrradkino sei, „wie so vieles, geklaut“, sagt Mitbegründer Reiter. 2012 sei er in Australien und Neuseeland unterwegs gewesen. In Christchurch stieß der Behindertenbetreuer auf die Gruppe Gap Filler, die kreative Projekte in jenen Baulücken verwirklichte, die die Erdbeben kurz zuvor hinterlassen hatten – darunter ein fahrradbetriebenes Kino. Kurz darauf landete er auch bei der Afterparty der „Critical Mass“-Sternfahrt in Sydney in einem Radkino.

„Ich habe mir gedacht, das wäre auch für Wien cool“, erinnert er sich. Er machte sich auf die Suche nach Mitstreitern und den passenden Rädern. Ersteres fand er etwa in Alec Hager. Man kannte sich lose von der Wiener „Critical Mass“ – „zwei Landeier, die in Oberösterreich mit Autos und Mopeds aufgewachsen sind und erst in Wien gemerkt haben, dass das Fahrrad in der Stadt das beste Verkehrsmittel ist“, wie Hager es formuliert. Er hatte zu diesem Zeitpunkt parallel selbst schon von einem Wiener Fahrradkino geträumt; er hatte das Konzept bei einer nordamerikanischen Gruppe beobachtet, die durch Europa radelte und die den Strom für das Equipment für ihre Konzerte selbst erzeugte.

Hobby und Leidenschaft

Im Mai 2012 fand auf dem Yppenplatz die erste Filmvorführung statt, heuer feiert der Cycle Cinema Club sein 5-Jahres-Jubiläum. Hager, hauptberuflich Sprecher der Radlobby, hat seine Diplomarbeit einst zu feministischer Filmtheorie geschrieben, organisiert Radfilmfestivals und bezeichnet seine Tätigkeit für den Club als „ehrenamtlichen Hobby-Aktivismus“. Es sei „mehr Leidenschaft als Hobby“, meint Reiter. Als Mithelfer sind zur Zeit Johanna Pfabigan, Stefan Breitwieser und Lukas Hartwig aktiv.

Mindestens drei von ihnen sind nötig, um das Fahrradkino aus seinem Lager, dem Keller des Vereins Kunstkanal in der Leopoldstadt in Donaukanalnähe, an seinen Einsatzort zu bringen. Eine Leinwand, Verstärker, zwei Lautsprecherboxen, Beamer, Laptop, ein Haufen Kabel und „massig Akkus“ (damit der Strom nicht weniger wird, während der eine Strampler ab- und der nächste aufsitzt) werden mit den drei bis fünf von HTL-Schülern umgebauten Elektrorädern und einem beachtlichen Anhängerfuhrpark transportiert. Das allein, sagt Reiter, sorge meist schon für beachtliches Aufsehen.

Oft ist das Kino in Wien unterwegs, aber gerne auch in ganz Österreich. „Da versuchen wir dann öffentlich unterwegs zu sein, fahren mit dem Equipment mit dem Zug, wir versuchen einen möglichst CO2-freien Transport.“ Auch in Zagreb und am Bodensee war man schon. Manchmal werden sie von Veranstaltern eingeladen, auch buchen kann man das Kino – und rund einmal pro Monat veranstaltet der Club auf eigene Faust ein Screening im öffentlichen Raum. Die Vorführung heute Abend ist Teil des „Radsommers am Donaukanal“ von Fahrrad Wien (und damit der Mobilitätsagentur der Stadt). Bei der Salztorbrücke auf Seite des 2. Bezirks gibt es hier bis Ende August Radchecks und ein Kulturprogramm.

Zeigen wollte der Club heute eigentlich Spike Lees Großstadt-Hitze-Film „Do The Right Thing“. Allein, die Rechte waren nicht zu bekommen. Das sei öfters schwierig, „wenn man keinen Eintritt verlangt“. Gezeigt wird stattdessen nun „Das Mädchen Wadjda“, das in Saudiarabien trotz religiöser und gesellschaftlicher Hürden Radfahren lernen will. Vermitteln, sagt Reiter, möchte man vor allem Spaß am Radeln – und ein Bewusstsein dafür, dass, ähnlich wie Benzin nicht aus der Tankstelle, Strom nicht aus der Steckdose kommt. Benötigt werden für Filmprojektor und Verstärker übrigens etwa 250 Watt. Sehr sparsame Geräte, sagt Reiter, „einen Wasserkocher oder einen Toaster könnte man damit nicht betreiben“.

AUF EINEN BLICK

Der Cycle Cinema Club wurde 2012 u. a. von Andreas Reiter und Alec Hager gegründet und zeigt fahrradbezogene Filme, der Strom wird mit umgebauten Elektrorädern generiert. Heute, Mittwoch, lädt man im Rahmen des Radsommers bei der Adria Wien zum Donaukanal Screening #1, gezeigt wird ab ca. 21 Uhr „Das Mädchen Wadjda“. Am Freitag lädt der Radsommer zum Fahrradflohmarkt.

www.Termine:www.cyclecinemaclub.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2017)

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