Berufswunsch YouTuber: „Man stellt es sich rosiger vor“

Michael Buchinger in einem seiner Stammcaf´es in Wien, dem Bräunerhof. Der gebürtige Burgenländer lebt seit 2011 in Wien.
Michael Buchinger in einem seiner Stammcaf´es in Wien, dem Bräunerhof. Der gebürtige Burgenländer lebt seit 2011 in Wien.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die 100 bekanntesten YouTuber Österreichs verdienen zusammen bis zu sieben Millionen Euro pro Jahr, aber nur 44 können davon leben. So wie Michael Buchinger und Anna Laura Kummer, die ihre Präsenz im Internet zum Beruf gemacht haben. Was es dazu braucht? Vor allem Disziplin und Ausdauer.

Michael Buchinger hat den Bräunerhof in Wien für das Treffen vorgeschlagen. Ein Altwiener Café, in dem man einen der bekanntesten YouTuber Österreichs irgendwie nicht erwartet hätte. Viel zu wenige Steckdosen zwischen den gepolsterten Sitzecken. Aber Michael Buchinger wohnt nicht weit von hier, seit 2011 lebt der gebürtige Burgenländer in Wien, und zwar von Anfang an in der Innenstadt. Seinen Lebensunterhalt verdient der heute 24-Jährige mit dem Erstellen von Videos für die Internetplattform YouTube. Dreimal die Woche – am Dienstag, Donnerstag und Sonntag, immer um 16 Uhr – lädt er ein neues Video auf seinem Kanal hoch. „Ich nenne mich obsessive compulsive“, sagt er. „Ich habe noch nie eine Deadline verpasst.“ Bekannt gemacht haben ihn vor allem seine „Hass-Listen“, kurze Clips, in denen er pointiert formuliert, was er gerade verabscheut. Menschen, die nicht auf E-Mails antworten, zum Beispiel. Jedes Video beginnt er mit der Grußformel „Hi Friends“.

Soeben wurde die erste groß angelegte Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der 100 bekanntesten österreichischen YouTuber präsentiert, die im Auftrag der RTR-GmbH (der Rundfunk- und Telekomregulierungs-GmbH) erstellt wurde. Michael Buchinger ist mit seinen 147.000 Abonnenten zwar „nur“ auf Platz 35 gelandet, wird in der Studie aber anerkennend als YouTube-„Urgestein“ bezeichnet. Ein Begriff, mit dem er leben kann. Immerhin war er 2009 einer der ersten Österreicher, der als Schüler der sechsten Klasse mit damals 16 Jahren Videos von sich ins Internet gestellt und sich nach und nach eine treue Fangemeinde aufgebaut hat. Rund 65 Prozent seiner Abonnenten sind Deutsche, 35 Prozent Österreicher, 80 Prozent sind weiblich, der Großteil zwischen 18 und 24 Jahre alt.

Heute ist er einer von vielen und besetzt eine kleine Comedy-Nische. Er selbst würde sich „Entertainer“ nennen oder „Komiker“. Längst haben Unternehmen junge Menschen wie Buchinger als Geschäftspartner für sich entdeckt, weil sie als sogenannte Influencer Produkte dezent in ihre Videos einbauen können, was auf den ersten Blick gar nicht wie Werbung wirkt. Wie wenig sich die YouTuber an gewisse Regeln halten, die klassische Medien sehr wohl bedenken müssen, zeigt auch die RTR-Studie, für die Andreas Gebesmair von der FH St. Pölten neben den 100 reichweitenstärksten YouTubern auch ihre 100 meistgesehenen Videos analysiert hat. Nur 54 der Videos enthalten Produktplatzierungen, eine Kennzeichnung findet sich aber nur in neun Videos.

Auch Michael Buchinger arbeitet häufig mit Firmen zusammen, etwa wenn er für seine Reihe „Michaels Praktikum“ einen Tag in Restaurants, Hotels, bei einem Winzer oder für den Essenszusteller Foodora arbeitet und seine Erfahrungen filmt. Er sagt aber: „Man muss Produktplatzierungen oder Kooperationen kennzeichnen.“ Allerdings erzählt er, es gebe Kunden, die ihn im Vorfeld bitten würden, Produkte nicht eigens auszuschildern. „Aber das mache ich nicht. Ich will meine Zuschauer nicht veräppeln.“ Genauso sieht er das, wenn Kunden versuchen, ihm bestimmte Worte in den Mund zu legen. „So etwas lehne ich strikt ab.“


Lauter kleine Unternehmen. Die RTR-Studie zeigt erstmals, welche wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz YouTuber in Österreich mittlerweile haben. Noch ist die Berufsgruppe nicht übermäßig groß, aber sie wächst, und gemessen an der Bevölkerungszahl tut sich in Österreich mehr auf diesem Feld als bei den deutschen Nachbarn. Drei bis 7,5 Millionen Euro (vor Steuern) haben die 100 wichtigsten Channels aus Österreich in den vergangenen zwölf Monaten eingenommen. Allerdings können nur 44 der 100 YouTuber davon leben, nur sechs davon dürften monatlich deutlich über 10.000 Euro verdienen.

Wie viel genau er verdient, will Buchinger nicht verraten, aber leben kann er spätestens seit 2016 davon. Neben den direkten Einnahmen über den YouTube-Kanal (das Unternehmen schüttet laut Studie für eingeblendete Werbung ein bis zwei Euro für 1000 Zuseher, die sich wirklich ein Video ansehen, aus), kommt vor allem über Kooperationen Geld herein. Zusätzliche Einnahmen lukriert er über Kolumnen oder andere Offline-Projekte. Gerade hat er sein erstes Buch „Der Letzte macht den Mund zu“ beim deutschen Verlag Ullstein veröffentlicht, eine Anekdotensammlung, verfasst in dem für ihn typisch bissigen selbstironischen Ton.

Sehr gut leben von ihrer YouTube-Präsenz kann auch die erst 21-Jährige Anna Laura Kummer. Sie hat 2011 begonnen, Videos von sich zu machen, als sie ein halbes Jahr an einer US-amerikanischen Highschool Austauschstudentin war. In den ersten zwei Jahren hatte sie nicht mehr als tausend Abonnenten, „aber sehr nette, die viel kommentiert haben“, erzählt sie. Zurück in Wien begann sie, in ihren Videos Beautyprodukte zu testen oder über Mode und Nachhaltigkeit zu sprechen. Der Erfolg kam schleichend, aber stetig. „Im letzten Schuljahr habe ich oft gefehlt, weil ich neben der Schule einfach viel arbeiten musste.“ Da waren E-Mails zu beantworten, steuerliche Dinge zu klären, „das Ganze wurde plötzlich zu einem echten Job“. Heute arbeitet sie im Schnitt 50 Stunden pro Woche (bei Buchinger sind es „30 bis 35 Stunden“), wobei es schwierig sei, eine Grenze zu ziehen, wenn das Hobby zum Beruf wird. „Es ist alles irgendwie Arbeit, aber irgendwie auch nicht.“

Mutter als Assistentin. Sie verdient ihr Geld vorwiegend über Kooperationen. Zusätzlich setzt sie auf ihrem Kanal Links zu Produkten und bekommt eine Provision, wenn jemand über diesen Link etwas kauft. Außerdem betreibt sie einen kleinen Online-Shop, über den sie Handy-Hüllen vertreibt. Wie viel genau sie verdient, kann Kummer nicht sagen, aber es reicht, um sich eine eigene Wohnung in Wien zu leisten, ihre Mutter als persönliche Assistentin zu bezahlen und eine geringfügig Angestellte zu beschäftigen, die sich um die sozialen Netzwerke kümmert. Wenn man mit Kummer spricht, wird einem bewusst, dass man es hier mit einer Unternehmerin zu tun hat. Sie betont, dass sie auch sehr viele Ausgaben hat, für ihre Reisen, für die technische Ausrüstung, Programme etc. – am Ende bleibe das Gehalt „eines gut bezahlten 40-Stunden-Jobs“ über.

Ihre Kooperationen, das ist ihr wichtig, kennzeichnet auch sie immer. Deswegen versteht sie die Aufregung um Schleichwerbung „nicht ganz“. Die meisten YouTuber, sagt sie, würden sich an das Kennzeichnen halten – nur manche großen deutschen und vor allem amerikanischen Blogger tun das nicht. Das findet sie auch „ärgerlich“.

Ihr Kollege Michael Buchinger macht die meiste Arbeit noch allein. Sein Freund Dominik Pichler, der auch häufig in seinen Videos vorkommt, ist allerdings „sein Go-to-Mann für Kamera und Ton bei aufwendigeren Drehs“, wie er erzählt. „Ich bezahle ihn auftragsbasiert oder hole ihn mit an Bord, wenn es sich um eine bezahlte Kooperation handelt, und dann bezahlen ihn eben die Auftraggeber.“ Er weiß, dass immer mehr junge Menschen von einer YouTube-Karriere wie seiner träumen, sagt dazu aber: „Man stellt es sich rosiger vor.“ Was es vor allem dafür braucht, sei Disziplin. Der abgedroschene Spruch „Von nichts kommt nichts“ trifft es. Auch weil YouTube einen bestraft, wenn man länger kein Video postet. Wer im Internet reüssieren will, muss vor allem Geduld und Ausdauer haben. „Man sollte nicht aufhören, wenn man es wirklich will“, sagt Buchinger. Kummer erinnert sich, dass sie ihr Cousin zu Beginn wegen „der peinlichen Videos“ aufgezogen hat. „Erst letztens hab ich ihm geschrieben: ,Weißt Du was? Hätte ich damals aufgehört, würde ich mich jetzt ärgern.‘“

Natürlich gibt es auch Nachteile. „Der größte ist aus meiner Sicht die Unsicherheit“, so Buchinger. „Trends ändern sich schnell, wer weiß, wie lang YouTube existiert, man sollte sich also einen Plan B zulegen. Ich würde keinesfalls alle Pferde darauf setzen.“

Erschienen

„Der Letzte macht den Mund zu“

Michael Buchinger
Ullstein Verlag
240 Seiten
10,30 Euro

Buchinger, 1992 in Wien geboren, hat Anglistik studiert, ist YouTuber und schreibt für „Vice“, „Miss“ und „Die Welt“.

Bekannte YouTube-Gesichter aus Österreich

KsFreakWhatElse

KSfreak heißt eigentlich Marcel Dähne, kommt aus Steyr und hat deutsch-albanische Wurzeln. Er postet vor allem Songs und betreibt nach Red Bull den erfolgreichstes YT-Kanal Österreichs.

2.041.068 Abonnenten

www.youtube.com/KsFreakWhatElse

ViktoriaSarina

Sie sind die zweiterfolgreichsten YouTuberinnen aus Österreichs. Die beiden Grazerinnen Viktoria und Sarina posten allerlei Tests und Do-it-yourself-Ideen aus ihrem Alltag.

962.783 Abonnenten auf YouTube

www.youtube.com/ViktoriaSarina

Anna Laura Kummer (siehe großer Text)

Angefangen hat sie auf YouTube 2011 während eines Auslandssemesters, mittlerweile macht Anna Laura Kummer aufwendig inszenierte Videos über Reisen, vegane Ernährung und Mode.

264.445 Abonnenten

www.youtube.com/Annalaurakummer

Michael Buchinger

Seit 2009 aktiv, gilt als „Urgestein“ der Austro-YouTuber. Bekannt geworden mit seinen „Hasslisten“ und „Ein Tag Praktikant“ (etwa bei Foodora, als Winzer oder in einem Hotel).

147.000 Abonnenten

www.youtube.com/MichaelBuchinger

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