Bad Vöslau

Philipp Hochmair: „Der Mensch in seinem Wahn“

Theater als Rockkonzert: Philipp Hochmair (3. v. l.) und seine Dresdner Band, die Elektrohand Gottes
Theater als Rockkonzert: Philipp Hochmair (3. v. l.) und seine Dresdner Band, die Elektrohand Gottes(c) Heike Blenk
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Bildungsbürgerpunk Philipp Hochmair und die Elektrohand Gottes planen heute im Schwimmenden Salon ein Rockkonzert mit Schiller-Balladen.

Wenn Philipp Hochmair am Freitagabend in Bad Vöslau auf der Schwimmbadbühne steht und zu den rauen Klängen seiner Rockband Schiller deklamiert, dann ist das für ihn auch der „Endpunkt einer langen Reise“. Gerade war er seit April zum ersten Mal, für einen einzigen Tag, zu Hause, wobei er sich auch auf den Begriff Zuhause nicht festnageln lassen will. Hamburg, das sei das, „wo mein Pass liegt, nichts, wo eine fünfköpfige Familie wartet und mein Mercedes vor der Tür steht“.

Seinen Rucksack zu packen und damit „von einem Vulkan zum anderen zu reisen“, das ist Hochmairs Grundzustand. Selbst gewählt, seitdem er seine Engagements am Burgtheater und am Hamburger Thalia-Theater aufgegeben hat, aber auch „eine komische Form von Leben. Die auch ganz eigenartige kreative Zustände gebiert, weil einen die Orte und Texte beeinflussen. Positiv, aber schwer zu kommunizieren für die Außenwelt – und für die eigene Innenwelt auch.“

Fremde, berühmte Innenwelten im Alleingang zu erkunden, das ist so etwas wie Hochmairs Geschäftsmodell geworden, das „wächst und wuchert“, seit er 1997 mit Nicolas Stemann als Regisseur Goethes „Werther“ als Low-Budget-Solo im Nürnberger Klassenzimmer ersonnen hat. Dass diese Art der Performance genau seines ist, hat er damals schon gedacht, „aber dass das 20 Jahre später auf den größten Bühnen im deutschen Sprachraum auf dem Spielplan steht, war natürlich nicht zu wissen gewesen.“ Eine Genugtuung, auch wenn es ihm gerade nicht um die großen Bühnen geht. Im Vorjahr beim Schwimmenden Salon in Bad Vöslau hat er, weil es schüttete, den „Werther“ kurzerhand ins Wirtshaus verlegt und inmitten des Publikums auf einem Tisch gespielt (im Anschluss sprang er nackt ins Wasser).

Auch mit seinem gerühmten Konzertperformance-„Jedermann“ ist er unterwegs. Nachdem der am Thalia-Theater abgespielt war („Ich hab gesagt, ich lass mir das nicht nehmen“), wandelte er ihn in eine leichtfüßige Reiseversion um. Damit auch an Peymanns Berliner Ensemble, „diesem Inbegriff von bürgerlichem Theater“, aufzutreten, sei „mindestens so absurd gewesen, wie bei Helmut Schmidt daheim in der Unterhose Kafka zu spielen“. Für den „Jedermann“ hat er auch seine Band gegründet, die Elektrohand Gottes – mit der er heute Abend in Bad Vöslau Schiller ausprobieren will.

Der Plan sei, die Balladen, „Kurzfilme, kleine Erzählungen, die extrem lyrisch sind, mit den Beats und Musikflächen zu vereinen“. Ein „Kick“, wie er es nennt, und wie immer ein Experiment, „das ewige Selbstexperiment fortgetrieben“. Und das mit Texten, die Generationen von Schülern auswendig lernen mussten. Er ja nicht mehr, „aber mein Vater oder meine Großmutter zitieren immer noch Sätze aus der Glocke, von denen ich gar nicht wusste, dass sie aus der Glocke sind. Geflügelte Worte, die da immer rumgeflogen sind.“ Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Oder: Der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.

Einst, glaubt Hochmair, sei das „wohl die beste Art von Unterhaltung gewesen und eine Möglichkeit, Wissen zu binden, einen Common Sense zu bilden.“ In Zeiten von Netflix, „in denen jeder 20.000 Filme zu Hause hat“, sei er für ein Wiederbeleben dieser Tradition – „als ob man alte Gerichte wieder kocht“. Wenn alle Sushi und Hamburger essen, biete er das Szegediner Gulasch seiner Großmutter. „Vielleicht ist das eine Sehnsucht: dass man sich noch einmal auf einen Grundstein unserer Sprache einigt.“ Was er macht, sei der Versuch, „dieses bildungsbürgerliche Grundelement mit neuer Musik zu vereinen.“ Die Glocke etwa sei nicht nur ein unglaubliches Sprachwerk, „sondern auch ein unglaublicher Trip. Dieses Gefühl von Ekstase herzustellen wär mir ein großes Anliegen.“

Geprobt wurde im Winter am Atlantik in Portugal. „Wir sperren uns in ein Haus“, beschreibt er, „dann werden die Maschinen gestartet, die drei Höllenmusiker machen ihre Musik, und ich versuche, mich mit ihnen zu einigen.“ Theater als Rockkonzert: „Wenn die Band steht und man anfängt zu musizieren, dann ist das einfach das größte Glück.“

Zur Person

Philipp Hochmair (43) wurde in Wien geboren. Er war am Burgtheater und später am Thalia-Theater engagiert, tritt allein mit Projekten wie „Werther!“, Kafkas „Prozess“ und „Amerika“ oder „Jedermann“ auf, auch in Japan, Frankreich, Südamerika. Für den Film „Kater“ gewann er heuer den Diagonale-Schauspielpreis. Im Herbst kommt u. a. „Tiere“ mit Birgit Minichmayr ins Kino, ins Fernsehen eine neue Staffel der Serie „Vorstadtweiber“, in der er den schwulen Politiker Schnitzler spielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2017)

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