Genießer oder Nutznießer: Das künstliche Spiel mit der Angst

Maria Köfler in ihrem Atelier in Natters bei Innsbruck.
Maria Köfler in ihrem Atelier in Natters bei Innsbruck.(c) Thomas Steinlechner
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In ihrer neuen Ausstellung „Nutzgenießer“ beschäftigt sich die Tiroler Malerin Maria Köfler unter anderem mit der kollektiven Angst, teilen zu müssen.

„Es gibt für uns keinen anderen Weg der Entfaltung und Erfüllung als den der möglichst vollkommenen Darstellung des Gebotes: Sei du selbst!“, schrieb einst Hermann Hesse. Ein Konzept, das vor allem in der Kunst nie an Gültigkeit verliert und jungen Studenten an Universitäten, Hochschulen und Akademien bis heute gelehrt wird. Wenngleich nicht unbedingt mit den Worten von Hesse. „Walk what you talk“ heißt der zeitgemäßere, international bekannte Slogan dazu. Beschäftige dich also mit Dingen, von denen du etwas verstehst, die dich ausmachen und deine Persönlichkeit geprägt haben.

Eine Prämisse, die auch die Grundlage für sämtliche Arbeiten der Malerin Maria Köfler bildet. Sie thematisiert in ihren Bildern Inhalte, die hauptsächlich auf persönlichen Beobachtungen und auch Begegnungen basieren. Gefühle wie Neid und Missgunst etwa. Oder Gier. Oder das derzeit höchst aktuelle Phänomen der Angst, seinen Besitz teilen zu müssen.

„Nutzgenießer“ heißt ihre aktuelle Ausstellung, die ihre Premiere vor Kurzem in der Innsbrucker Galerie im Andechshof hatte und demnächst auf Bundesländertour gehen soll. Es ist ihre zweite Einzelausstellung nach „Parasitäre Organismen“ aus dem Vorjahr. Die Frage, um die sich ihre zumeist mit Tusche, Bleistift, Kreide und Lackstift angefertigten Zeichnungen auf Papier drehen: Wer sind die Nutznießer, wer die Genießer in einer Gemeinschaft? Und lässt sich das so eindeutig sagen?

Geschichten erzählen

Mit vordergründig unliebsamen Tieren wie Nacktschnecken, Parasiten und Schlangen, die in paradiesische Gärten eindringen und das Gleichgewicht zu stören drohen, erstellt sie Szenarien, die, wie sie sagt, „zum Reflektieren über Fairness und Gerechtigkeit in der Gesellschaft anregen sollen“. Denn was auf den ersten Blick wie ein Schädling wirkt, könne unter anderen Umständen zum Retter einer Gruppe werden. Oder um es in der Sprache der Ästhetik zu sagen: Was von einem Blickwinkel aus abstoßend erscheine, sei aus einem anderen dekorativ.

Bei all ihren Zeichnungen, die Titel haben wie „Wer hat noch nicht, wer will noch mal“, „Cloud Potato“ und „Mit Gift“, gehe es darum, Geschichten zu erzählen, betont die 29-Jährige, die im Begriff ist, ihr Kunstgeschichte-Studium an der Universität Innsbruck abzuschließen. Geschichten über Menschen und Orte aus der ganzen Welt, die sie in ihrem früheren Beruf als Flugbegleiterin kennengelernt hat.


Jahre, die geprägt waren von außergewöhnlichen Erfahrungen mit anderen Kulturen und Lebensweisen, aber auch von der Erkenntnis, dass weder dieser Beruf noch jener der Kindergartenpädagogin, den sie zuvor erlernt hatte, sie glücklich machen können. „Eigentlich war das Malen mein erster und einziger Berufswunsch, nur habe ich ein paar Jahre gebraucht, um den Mut und die Entschlossenheit aufzubringen, ihn auch professionell auszuüben“, erzählt die Tirolerin. „Bis dahin war es immer mein größtes Hobby. Es gab Zeiten, da habe ich jeden Tag nach der Arbeit bis spät in die Nacht gezeichnet. Das war wie eine Erholung von der Arbeit, eine notwendige Abwechslung. Seit 2014 ist es auch mein Hauptberuf.“

Und das soll auch künftig so bleiben. Nach Abschluss des Studiums plant sie weitere Fortbildungen in Wien, vielleicht an der Akademie der bildenden Künste oder an der Graphischen. Auch Auslandsaufenthalte im Zuge von Stipendien und Austauschprogrammen stehen auf dem Programm. Begleitet von neuen Ausstellungen, an denen sie bereits arbeite. „Nichts“, so Köfler, „gibt mir mehr als das. Um diese Gewissheit zu erlangen, habe ich die Umwege in meinem Berufsleben nicht gebraucht. Um sie aber auch auszuleben, vielleicht schon.“

Zur Person

Künstlerin. Die 29-jährige Innsbruckerin Maria Köfler arbeitete nach der Matura als Kindergartenpädagogin und Flugbegleiterin. Seit 2014 studiert sie Kunstgeschichte und widmet sich hauptberuflich der Malerei. Ihre aktuelle Ausstellung heißt „Nutzgenießer“.

Web: www.mariakoefler.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2017)

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