Filmfest St. Anton: Eine unmögliche Rettungsmission

Feier des Überlebens: Gert Judmaier, Retter Oswald Ölz und Neo-Regisseur Reinhold Messner (hinten, v. l.) und die Darsteller Hansjörg (l.) und Vitus Auer.
Feier des Überlebens: Gert Judmaier, Retter Oswald Ölz und Neo-Regisseur Reinhold Messner (hinten, v. l.) und die Darsteller Hansjörg (l.) und Vitus Auer.(c) Servus TV/Manuel Ferrigato
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In „Still Alive“ verfilmte Reinhold Messner die sensationelle Rettung eines Tiroler Bergsteigers in Kenia. Ein Höhepunkt des Filmfestes St. Anton.

Rettungsaktionen auf hohen Bergen haben es angesichts der natürlichen Umstände an sich, dass sie fast immer spektakulär und schwierig sind. Was aber eine Gruppe von Tiroler Bergrettern 1970 in Kenia geschafft hat, war nicht schwierig, sondern praktisch unmöglich. Das hat auch Bergsteiger Reinhold Messner, der durch Zufall bei einem eigenen Klinikaufenthalt davon erfuhr, derart beeindruckt, dass er die Geschichte des jungen Innsbrucker Mediziners und Bergsteigers Gert Judmaier auf den Bildschirm brachte.

„Still Alive“ heißt der Spielfilm mit dokumentarischen Elementen und gehört zu den Höhepunkten des Filmfestes St. Anton (www.filmfest-stanton.at), das von 23. bis 26. August zum 23. Mal stattfindet. Alle noch lebenden Teilnehmer der damaligen Rettungsmannschaft haben sich für die Vorstellung am Samstag angekündigt.

Aber der Reihe nach. Judmaier stürzte 1970 beim Abstieg vom 5199 Meter hohen Mount Kenya in Ostafrika 30 Meter in die Tiefe und zog sich einen offenen Unterschenkelbruch zu. Damals eigentlich ein Todesurteil. Sein Bergkamerad Oswald Ölz – der „Bulle Ölz“, wie ihn seine Freunde nannten – versuchte dennoch, vor Ort eine Rettungsaktion zu organisieren, die allerdings angesichts der damaligen Verhältnisse am zweithöchsten Berg Afrikas scheiterte.

Tiroler Bergretter reisten daraufhin – sechs Tage nach dem Unfall – von Innsbruck nach Kenia, um in der bisher einzigen interkontinentalen Bergrettungsaktion das scheinbar Unmögliche möglich zu machen.

„Keine Heldengeschichte“

In „Still Alive“ erzählen Judmaier und Ölz im On und Off die Geschichte der Rettung am Mount Kenya nach. Dargestellt werden sie von den beiden Tiroler Topalpinisten Hansjörg und Vitus Auer. „Ich wollte keine moralische Heldengeschichte machen. Es geht um die Auseinandersetzung mit der Psyche der Menschen, die am Rande ihrer Möglichkeiten stehen“, sagt Messner. Ihn hätten die „realen Emotionen“ interessiert, denn: „Das Leben ist besser als unsere Fantasie.“

Der Südtiroler sieht „Still Alive“ nicht unbedingt als Bergsteigerfilm. Es sei vielmehr ein dokumentarischer Spielfilm über Kameradschaft, Freundschaft, Leben und Tod. Und er beinhalte auch eine Kernaussage, die wohl genauso auf Reinhold Messners Leben zutrifft: „Es lohnt sich, im Leben bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen.“

Das weiß auch Walter Spitzenstätter, einer der Retter von damals. Der Innsbrucker war der einzige, der nicht akklimatisiert war – alle anderen Retter waren gerade von einer Himalaya-Expedition zurückgekommen und hatten kaum Probleme mit der Höhe des Mount Kenya. „Ich habe mich am schwersten getan, da ich den ganzen Sommer in Tirol verbracht und gearbeitet hatte“, erinnert er sich. „Wir saßen zwölf Stunden im Flugzeug, die gesamte Rettungsaktion wurde ohne Unterbrechung in einem Zug durchgeführt.“ Gedanken an Sinnhaftigkeit und Gefahren eines solch waghalsigen Einsatzes habe er weggewischt. „An so etwas denkt man nicht. Was zählt, ist die Rettung eines Kameraden. Wenn man vor jeder Rettungsaktion Zweifel hätte und sich fragte, ob sie sinnvoll ist, dürfte man ja überhaupt keine Einsätze mehr absolvieren. In diesem Fall kam hinzu, dass wir den Gert kannten und nie im Stich gelassen hätten.“

Unvergesslich bleibt der Augenblick des Auffindens des schwer verletzten Judmaier. „Als er uns sah, hat er all seinen Emotionen freien Lauf gelassen“, sagt Spitzenstätter. „Er schrie, schimpfte und mahnte uns, ja nichts falsch zu machen. Aber das ist nichts Ungewöhnliches bei jemandem, der zuvor tagelang allein war. Mit Schmerzen, die man sich gar nicht vorstellen kann. Daher hat er auch gleich von allen Seiten Spritzen bekommen.“

Das „Fantastische“ an dieser Rettungsaktion ist für Spitzenstätter, dass Judmaier „heute, 47 Jahre danach, noch lebt und sich bester Gesundheit erfreut. Er wurde nicht einfach nur gerettet, er hat an diesem Tag ein ganzes Leben gewonnen. Und das ist das, was uns bis heute immer wieder zusammenbringt.“

Auf einen Blick

Filmfest. Mit 23 Berg- und Outdoorfilmen auf der Leinwand und Extremsportlern auf der Bühne wartet von 23. bis 26. August das Filmfest St. Anton auf. Zur Eröffnung lassen sich ausschließlich Sportlerinnen feiern. Darunter die aktuelle Freeride-Weltmeisterin Lorraine Huber, Bergsteigerin Tamara Lunger und Boulderin Anna Stöhr – allen sind Filme gewidmet. Am Samstag wird Reinhold Messners Regiedebüt „Still Alive“ über einen Rettungseinsatz in Afrika 1970 gezeigt. Alle noch lebenden Teilnehmer der damaligen Rettungsmannschaft haben sich angekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2017)

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