"Menschenbilder" im Prater: Beiläufige Begegnungen im Sitzen

Kurator Christian Jungwirth auf einer der, wie er sie nennt, Fotobänke.
Kurator Christian Jungwirth auf einer der, wie er sie nennt, Fotobänke.(c) Stanislav Jenis
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Für eine Ausstellung hat die Jury um Kurator Christian Jungwirth aus 1600 Einreichungen 58 Porträts ausgesucht. Eine willkürliche Auswahl, wie er bekennt.

Dass die Ausstellung im öffentlichen Raum und unter freiem Himmel stattfindet, war Christian Jungwirth von Anfang an ein besonderes Anliegen. „Ich wollte die Fotos nicht in einer Galerie oder einem anderen Etablissement zeigen, wo man erst hingehen muss“, sagt der Fotograf. „Im öffentlichen Raum hat man den Vorteil, über die Fotos zu stolpern und sie beiläufig zu erleben. Daher haben wir die Fotobänke, wie ich sie bezeichne, bewusst wie Stadtmöbel konzipiert, auf denen man sitzen und sich beim Ausruhen die Gesichter ansehen kann.“

Die Rede ist von der Ausstellung „Menschenbilder“, die heute, Montag, eröffnet wird und bis 26. September Werke von Wiener Berufsfotografen zeigt. Auf einer Länge von 200 Metern sind auf der Straße des Ersten Mai im Prater insgesamt 58 Fotos (1,4 mal 1,4 Meter groß) zu sehen.

Sie sollen „nicht nur einen Moment im Leben eines Menschen festhalten, sondern den direkten Blick in dessen Psyche erlauben – denn einen Menschen mit seinem ganzen Wesen abzubilden und nicht nur sein bloßes Antlitz festzuhalten, setzt nicht nur hervorragendes technisches Können voraus, sondern vor allem auch Einfühlungsvermögen“, beschreibt Ulrich Schnarr, Innungsmeister der Berufsfotografen, die Herausforderung in der Porträtfotografie. Die Landesinnung in der Wiener Wirtschaftskammer organisiert die Ausstellung.

Aus 1600 Fotos ausgewählt

Ausgewählt wurden die 58 ausgestellten Fotos von einer Jury aus insgesamt 1600 Einreichungen. Zu sehen sind dabei nicht nur Arbeiten von Berufsfotografen, sondern auch von einem Lehrling und einem Studenten der Graphischen, die eine sogenannte Wildcard bekamen.

„Der Austausch zwischen jungen, frechen Kollegen und älteren, etablierten ist mir besonders wichtig“, sagt Jungwirth, der unter anderem für Magazine fotografiert und in der Werbebranche tätig ist. „Beide können voneinander profitieren.“ Das Konzept der „Menschenbilder“ wurde erstmals 2012 in Graz umgesetzt, seither findet die Ausstellung dort jedes Jahr statt und geht nach der Eröffnung im März auf Tour durch zahlreiche steirische Gemeinden.

Mittlerweile übernahmen neben Wien auch Tirol und Oberösterreich das Format, im kommenden Jahr werden Vorarlberg und das Burgenland folgen. „Und das Ganze ohne viel Zutun“, betont Jungwirth. „Das ist der beste Beweis dafür, dass unser Konzept durchdacht war und angenommen wird. Im Vordergrund stehen einfach Menschenbilder, die im Idealfall eine Geschichte erzählen sollen.“

Dass sich diese Geschichten je nach Betrachter enorm unterscheiden können, habe sich schon bei der Auswahl der Werke gezeigt. „Natürlich hängen die ausgewählten Fotos immer von der Zusammensetzung der Jury ab“, sagt der 55-Jährige. „Wären andere Personen in der Jury gesessen, hätten sie sich wahrscheinlich für ganz andere Fotos entschieden – sicher mit ein paar Überschneidungen mit unserer Auswahl.“

Aber genau darum gehe es bei den Fotos. „Sie berühren jeden anders. Das ist dann oft auch schwer erklärbar. Aber Fotos sollte man nicht erklären, sondern erleben.“

AUF EINEN BLICK

Fotografie. Die Open-Air-Ausstellung „Menschenbilder“, die heute, Montag, eröffnet wird, zeigt bis 26. September Werke von Wiener Berufsfotografen. Auf einer Länge von 200 Metern sind auf der Straße des Ersten Mai im Prater 58 Porträtfotos (1,4 mal 1,4 Meter groß) zu sehen. Kuratiert wurde die Ausstellung von Fotograf Christian Jungwirth, der das Format bereits 2012 in der Steiermark ins Leben rief, wo es bis heute jährlich umgesetzt wird.

www.Details:www.menschenbilder.wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2017)

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