Nestroy: Auftritt der Krisenmanager

„Bester Schauspieler“ Joachim Meyerhoff mit Nestroy-Sponsor Franz Gasselsberger (Oberbank).
„Bester Schauspieler“ Joachim Meyerhoff mit Nestroy-Sponsor Franz Gasselsberger (Oberbank).(c) ORF
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Die Burg stand bei der Nestroy-Gala ohne Programm da. Karin Bergmann sprang mit Helfern selbst ein – ein Ausnahmeabend.

Als ORF III-Moderator Peter Fässlacher auf die Bühne trat und die Vermutung bestätigte, dass er weder Regina Fritsch noch Puppenspieler Nikolaus Habjan oder Manuela Linshalm sei, ahnte man schon, dass etwas nicht stimmte. Und als dann Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann zu ihm trat, war klar: Es ist wieder einmal Zeit für einen Auftritt der Krisenmanagerin.

Eigentlich hatte Bergmann – jedes Jahr ist ein Theater für die Gestaltung des Abends verantwortlich – das genannte Trio für die Moderation beauftragt, der Teufel und eine Katze sollten eine Rolle spielen, Autorin Julya Rabinowich das Buch liefern. Thema: „Wie gefährlich ist die Kunst?“ Offensichtlich entwickelt sie zumindest manchmal Eigenleben, der Text sei jedenfalls eher ein eigenes Theaterstück geworden, so Bergmann, ein veritables Fiasko im Hintergrund darf vermutet werden. Jedenfalls machte Michael Niavarani, der „vor zwei Tagen“ endlich, endlich einen Anruf aus dem Burgtheater erhalten hatte („wenige hier im Saal wissen, wie das ist“) aus der Not eine Tugend und erhob die Improvisation zum Programm.

Bei dem Krisenexpertin Bergmann (sie hat die Burg nach dem Finanzskandal übernommen, musste im Herbst eine Haußmann-Premiere verschieben) tatkräftig mitwirkte. „Künstler haben immer recht und letztlich verantwortlich ist immer der Theaterdirektor“, erklärte sie, und verbrachte einen Teil des Abend selbst auf der Bühne. Nicht allein: Mit Maria Happel, Otto Schenk oder David Schalko (mit einer bösen Rede) hatte sie wuchtige Verstärkung. Nicht jeder Schmäh wird in die Qualitäts-Annalen eingehen, Lachen und Sympathie waren dem Notfalls-Ensemble aber gewiss.

Emotionale Standing Ovations entfachte Birgit Stöger (beste Nebendarstellerin), die im Vorjahr mit „Lost and Found“ ausgezeichnet worden war. Inspiriert hatte das Volkstheater-Stück Yousif Ahmed, der aus politischen Gründen aus dem Irak geflüchtet war. Montagfrüh, berichtete Stöger, habe er einen negativen Asylbescheid erhalten. „Wenn der österreichische Staat ihn abschiebt, kommt das einem Todesurteil gleich.“ Thomas Drozda, nicht wirklich zuständiger SP-Kulturminister, versprach, sich den Fall „in einer meiner letzten Amtshandlungen“ noch einmal anzuschauen.

Preis für den Rollstuhl-Rave

Die nächsten Standing Ovations gab es für Tänzer, Theoretiker und Choreograf Michael Turinsky, der mit Doris Uhlich und der gemeinsamen Performance „Ravemachine“ den Spezialpreis erhielt. Er habe das Glück, Solidarität zu erfahren und in einer Stadt zu leben, die ihm ein autonomes Leben ermögliche, sagte Turinsky, der im Rollstuhl sitzt. Er wünschte, dieses „gute Leben“ möge auch anderen zuteil werden. „Ich weiß, das ist ein bissl utopisch. Aber mich hat mein Leben gelehrt, auch an jenen Wünschen festzuhalten, die vielleicht utopisch sind.“

Den letzten frenetischen Applaus gab es für Kirsten Dene, sie wurde für ihr Lebenswerk geehrt. Obwohl sie, bescheiden, intelligent, gebildet, integer, „völlig falsche Voraussetzungen“ für den Beruf mitbringe, wie Co-Hamburger Michael Maertens konstatierte.

Auf einen Blick

Die Nestroy-Preisträger. Joachim Meyerhoff, Andrea Jonasson (Schauspieler), Maresi Riegner, Felix Hafner (Nachwuchs), Birgit Stöger (Nebenrolle), Max Simonischek (Publikumspreis), Elmar Goerden (Regie), Ayad Akhtar (Autorenpreis), Katrin Brack (Ausstattung), Residenztheater München (beste deutschsprachige Aufführung für „Die Räuber“), „Holodrio. Lass mich Dein Drecksstück sein!“ (Off, Rabenhof), „Der Auftrag: Dantons Tod“ (Bundesländer, Schauspielhaus Graz), Doris Uhlich, Michael Turinsky (Spezialpreis), Kirsten Dene (Lebenswerk).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2017)

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