Die Nerds im Feiermodus

Gründer Johannes Grenzfurthner und Franz Ablinger (2. bzw. 3. von rechts) mit den Mitgliedern von Monochrom.
Gründer Johannes Grenzfurthner und Franz Ablinger (2. bzw. 3. von rechts) mit den Mitgliedern von Monochrom.(c) Monochrom
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Die Künstlergruppe Monochrom feiert ihr 25-Jahr-Jubiläum. Für Sommer plant sie eine offene „Unconference“ als „das lässigere Alpbach“.

Flyer einer „Bürgerinitiative zur Erreichung der Totalbevölkerung“ (durch Ersetzen aller Tiere durch Menschen) – ausgeteilt an Tierschützer wie Abtreibungsgegner, um beide zu ärgern („die Abtreibungsgegner haben uns nicht gut gefunden, die Peta-Leute haben einfach angefangen, auch unsere Zettel zu verteilen“).

Oder eine improvisierte Sitcom über die Astronauten der ISS, gefilmt (dank fehlender Film-, aber erhaltener Theaterförderung) in der Garage X und im Berliner Ballhaus, im Nachhinein zur Serie geschnitten. „Zwei, drei Folgen sind unanschaubar, aber manche sind so was von großartig.“ Johannes Grenzfurthner und Franz „Franky“ Ablinger sitzen in ihrem Büro im Wiener Museumsquartier, inmitten all der Paraphernalien, vom Bush/Cheney-Sticker bis zum Einhornfederpennal, die ein Nerd-Büro so braucht, und haben sichtlich Spaß, in der Vergangenheit zu graben: In Hunderten Projekten und Aktivitäten – auch und gerade in jenen, die es zu nicht ganz so großer Bekanntheit brachten wie die Eigenblutwurst oder Georg P. Thomann, der fiktive Künstler, von dem sich Monochrom zu Zeiten der ersten schwarz-blauen Regierung auf der Biennale von Sao Paulo vertreten ließen.

Dieser Tage wird das Kunst-, Theorie- und Bastelkollektiv, das im Netz zu Hause, aber auch abseits davon sehr aktiv ist, 25 Jahre alt. Gefeiert wurde in den vergangenen Wochen schon mit einer Reihe von Anekdotenabenden; die große Party nebst Filmpräsentation steht diesen Donnerstag im Gartenbaukino bevor. „Urzelle“ von Monochrom ist Grenzfurthner, damals 16-jähriger, technophiler Nerd aus Niederösterreich mit verständnisvollen Eltern, die ihm schon Ende der Achtziger Computer und Modem finanzierten, mit dem er Gleichgesinnte in der ganzen Welt ausfindig machte – darunter auch den 23-jährigen Wiener Informatikstudenten Ablinger: Grenzfurthner hatte seine Idee zu einem Fanzine namens Monochrom ausgesandt: „Zwei Stunden war ich damit allein, dann hat sich Franky gemeldet.“

Als später dann Leute wie der „performative Charakter“ Harald List dazu stießen, sei das die „kambrische Explosion“ gewesen: Aus einem bloßen Fanmagazin wurde eine Künstlergruppe, die sich je nach Anliegen das passende Medium sucht. Heute, Grenzfurthner deutet auf eine Sammlung ausgeschnittener Gesichter an der Wand, sind Monochrom neun Leute mit unterschiedlichen Neigungen. Zuletzt gründete Monochrom sogar seine eigene Filmfirma. Nicht sehr zur Freude der heimischen Filmszene, wie man vermutet; aber ohne Produktionsfirma käme man eben nur schwer an Förderungen. Grenzfurthner zuckt mit den Schultern: Man sei es gewohnt, Quereinsteiger in fremden Szenen zu sein, das sei bei den Hackern oder im Theater nicht anders gewesen. „Glossary of Broken Dreams“ heißt nun das jüngste filmische Machwerk. Hintergrund, sagt Grenzfurthner, sei die Repolitisierung im Netz, im Zuge derer mit großen Begriffen hantiert würde, „während viele keine Ahnung haben, was das heißt“: Kapitalismus und Freiheit, Demokratie oder Markt.

Zehn solcher Begriffe hat er sich herausgepickt, um sie zu zerlegen „und wenn nötig zu opfern“. Selbiges Schicksal trifft etwa die Privatsphäre: Ein 300 Jahre junger, bürgerlicher Begriff, zu dessen Verteidigung die „profitorientierte Maschine“ Facebook gegeißelt werde: „Doppelmoral“, findet Grenzfurthner.

Konferenz mit Kegelbahn

Bei allem Rückblick plant die linkslastige Truppe aber auch Neues, etwa die „Monocon“ als „lässigeres Alpbach“. Von 28. Juni bis 1. Juli bezieht man in der Gegend von Amstetten ein Seminarhotel „mit Pool und Kegelbahn“. Die Idee sei, „dass wir Monos Urlaub machen, allerdings mit guten Freunden“. Über die letzten 25 Jahre habe man viele großartige Leute kennengelernt, die man gern auch zusammen bringen würde. Darunter etwa Bre Pettis, ehemaliger Monochrom-Artist-in-Residence und Mitbegründer des 3-D-Drucker-Produzenten MakerBot. Oder Sean Bonner, der den ersten Open-Source-Geigerzähler erfunden hat, der auch in Fukushima zum Einsatz kam. Geplant sei eine entspannte Unconference – ohne das übliche Konferenz-Prozedere, mit Performances, Musik und Virtual-Reality-Games.

Seit Jahren liebevoll gepflegt wird übrigens auch die Liste schöner Tippfehler. „Konkrete Poesie“ nennt Grenzfurthner Kleinode wie „Steueramnesie“, „Bankenertreter“ oder „Kurzifix“ – zu finden auf www.monochrom.at/orto (wer sich auf der unüberschaubaren Seite nicht auskennt: Keine Sorge, auch die Mitglieder müssen hier Google zu Hilfe nehmen).

AUF EINEN BLICK

Monochrom ist ein Kunst-Technologie-Philosophie-Kollektiv mit Büro im Museumsquartier und besteht aus dem Kernteam Franz Ablinger (Technik), Günther Friesinger (Geld, Logistik, Auto) und Johannes Grenzfurthner („Netzwerker“, „Letztgewalt über das Künstlerische“), dazu kommen

Evelyn Fürlinger, Harald List, Anika Kronberger, Frank Apunkt Schneider, Daniel Fabry und Roland Gratzer. „Glossary of Broken Dreams“ nebst 25 Jahre Monochrom-Party, 22. März, ab 20 Uhr, Gartenbaukino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)

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