Miriam Meckel: Ein Buch gegen die Inaktivität

Miriam Meckel Buch gegen
Miriam Meckel Buch gegen(c) AP (MIGUEL VILLAGRAN)
  • Drucken

Die ehemals jüngste Professorin Deutschlands, die heute eine Professur in St.Gallen hat, lebt von der Kommunikation und wurde von ihr erdrückt. Die Freundin von Anne Will und ihr Buch über das Burn-out.

An dem Morgen, an dem nichts mehr ging, tat sie etwas, das ihr bis heute unbegreiflich ist: Sie setzte sich an ihren Laptop und überprüfte ihre E-Mails. Kurz darauf brach Miriam Meckel zusammen, ihre Lebensgefährtin, die ARD-Moderatorin Anne Will, brachte sie zu einem Arzt.

So beginnt die Geschichte von Meckels Burn-out, die sie nun in einem „Brief an mein Leben“ festgehalten und veröffentlicht hat. Eine sehr exhibitionistische Variante, die Krankheit zu verarbeiten, mögen manche sagen und hämisch hinzufügen, dass die Frau an Anne Wills Seite bald bekannter sein werde als Will selbst. Eines hat die 43-jährige Meckel mit dem Buch aber schon jetzt geschafft: Sie hat dazu beigetragen, das Thema „Burn-out“ in Deutschland wieder salonfähig zu machen. Die Printmedien im Nachbarland sind seit Anfang März voll mit Texten und Analysen über die „neue Zivilisationskrankheit“. Dabei ist sie so neu nicht. Schon 1974 hat der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger den Begriff geprägt, die Symptome kennt man freilich noch viel länger. Was auch die Talkshow-Moderatoren nicht davon abhält, sich dem Thema, das eine Talkshow-Moderatorin aufgerollt hat (Meckel moderierte früher im WDR und auf ntv), zu widmen – und andere prominente Betroffene zu nennen, wie den Torhüter Robert Enke, den Skispringer Sven Hannwald.

Manche meinen, Meckel habe mit ihrem „Brief“ einen Nerv getroffen. Andere nehmen es der Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin, die zudem fertige Sinologin und Juristin ist, eher übel, dass sie dieses sehr private Problem in Form eines Buches hinausposaunt hat – aus der privaten Krise gewissermaßen sogar noch Profit geschlagen hat. Und tatsächlich überrascht es ein wenig, wie rasch Meckel das 200-Seiten-Buch über ihre „Erfahrungen mit einem Burn-out“ auf den Markt geworfen hat. Die „schwärzeste Zeit“ ihres Lebens liegt kaum ein Jahr zurück.

Zudem erscheint es seltsam widersprüchlich, dass Meckel ausgerechnet an dem ihr verordneten „Inaktivitätswochenende“ in der Allgäuer Klinik, in der sie Anfang 2009 fünf Wochen verbracht hat, mit den Aufzeichnungen zu ihrem Erlebnisbericht begonnen hat. Ob die Ärzte das gut fanden, fragte sie der „Spiegel“ vor zwei Wochen. Darauf geht sie nicht ein, betont nur, das Buch sei „kein Leistungsnachweis“, sondern „Teil der Therapie“ gewesen. Und auch ein „quasi veröffentlichtes Versprechen“ an sich selbst, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Dass sich ein zweiter Widerspruch in ihrem Lebenslauf findet, scheint Meckel bewusst zu sein. In ihrem letzten Buch behandelte die ehemals jüngste Professorin Deutschlands, die heute eine Professur in St.Gallen hat, „das Glück der Unerreichbarkeit“. Sie selbst hat daraus offenbar nicht viel lernen können: „Ich war in der Position der wissenschaftlichen Beobachterin, habe gesehen, dass diese ständige Informationsüberlastung ein gesellschaftliches Problem werden könnte. Aber was mich selbst betraf, da hatte ich offensichtlich einen blinden Fleck.“ Seit Anfang März, kurz nach Erscheinen des neuen Buches, belohnt sie sich mit einem Forschungssemester in Harvard. Inaktiv ist anders.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.