Nina Hagen: Die Punk-Diva Gottes

Nina Hagen PunkDiva Gottes
Nina Hagen PunkDiva Gottes(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Die frisch getaufte Punk-Ikone Nina Hagen über ihren Glauben, Missbrauch, und warum sie im Juni zum Uferlos-Festival nach Wien kommt.

Nina Hagen ist – nun ja, unverkennbar Nina Hagen. Im schwarzen Petticoat-Kleid, mit gewohnt wildem Make-up und gelb-rosa Blüten auf den schwarzen Zöpfen rauscht sie zur Pressekonferenz in die Ottakringer Brauerei – um live und höchstpersönlich an der Seite der Organisatoren das Programm für das Queer-Kulturfestival „Uferlos“ zu präsentieren.

Dessen „Topstar“ will sie allerdings nicht sein: „Ich bin kein Topstar, ich bin eine Berliner Pflanze!“

Die, während Peter Hanke (Wien Holding), Peter Gruber (Stadthalle) und Koveranstalter Edmund Scholz reden, die Augen rollt, die Lippen schürzt und schließlich die Gitarre zückt, um den Journalisten ein Ständchen zu bringen. Zwischendurch hält sie auch mal ihr neues Buch in die Kamera – denn dass sie am 26.Juni zum zweiwöchigen „Uferlos“-Festival in die Wiener Stadthalle kommt, ist nicht das Einzige, das die quirlige Dame zu erzählen hat. Auch wenn ihr das Konzert sichtlich Freude macht: Sie unterstütze die Schwulenbewegung, wo sie kann – auch wenn sie selbst nicht gay, sondern vielmehr „Nonne“ sei. Ja, Nina Hagen hat sich endgültig Jesus Christus verschrieben. Im Sommer 2009 wurde sie in einer evangelischen Reformkirche getauft – und das, jubiliert sie, wirke immer noch nach: „Ich bin eine frisch getaufte, glückliche junge Knospe!“


Eine gerade 55 Jahre alt gewordene junge Knospe mit Kreuz und Jesus-Tasche, die gerade ihre Biografie vorgelegt hat. „Bekenntnisse“, heißt sie, und sie ist tatsächlich ein Bekenntnis geworden, ein Glaubensbekenntnis. Darin erzählt sie, wie sie sich schon als DDR-Kind in die Kirche geschlichen und dort eine Ahnung erhalten habe, „dass es für das heimatlose Kind Nina eine ewige, himmlische Heimat geben könnte“.

Sie erzählt von dem frühen „Nahtoderlebnis“, bei dem sie von Gott gerettet wurde, seit dem sie sich als Christin betrachtet. Von Abtreibungen, die sie nie wollte, vom „Schneegestöber“ in Amsterdam, wo sie „nur mit Gottes Hilfe“ von den Drogen losgekommen sei. Und von der Welt indischer Hindu-Götter, in der sie später Jahre ihres Lebens verbrachte, und die sie erst nach und nach als „totalitäres, faschistisches, controlfreakiges System“ enttarnte. „Die Gurus“, gesteht sie in Wien, „haben mich ganz schön belogen, die wollten mich in ihren rassistischen Verein reinziehen.“ Tieropfer oder die Tatsache, dass dunkelhäutigen Hindufrauen der Tempel verwehrt blieb, hätten ihr schließlich die Augen geöffnet.

Und so trat sie in einer Zeit, in der andere aus der Kirche austreten, ein. Und der Missbrauch? „Sie freue sich“, sagt Hagen, „dass die Wahrheit ans Licht kommt.“ Der Skandal sei „eine große Chance für die Kirche, neu anzufangen und sich ins Menschliche hineinzureformieren“, hofft sie. „Wir werden lernen, ganz neu miteinander umzugehen. Und wir werden eine schöne Zukunft haben, dafür lebe und arbeite ich.“ So verfolgt sie auch weiter ihr Lebensziel, eine atomwaffenfreie Welt – mit ihren Mitteln. „Wahrscheinlich“, mutmaßt sie, „bin ich deshalb Künstlerin geworden, weil ich als Politikerin noch weniger ernst genommen worden wäre.“

Hagens neue Freude am Glauben drückt sich indes auch in ihrem neuen Album aus, einem Gospelalbum. Gospel, sagt sie, sei „die stärkste Musik, um mit Gott zu kommunizieren“, und immer schon ein Herzenswunsch gewesen. „Ich wusste nur nicht: Wie krieg ich es hin, dass die mich dann nicht von der Bühne jagen?“

AUF EINEN BLICK

Nina Hagen tritt am 26.6. im Rahmen des zweiten „Uferlos“-Festivals (18.6. bis 2.7.) in der Stadthalle auf. Weitere Gäste: Marianne Rosenberg, Alfred Biolek u.a.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2010)

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