Songcontest: "Die beste Party Europas"

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Das einstige Songcontest-Schlusslicht Norwegen gibt sich zum Eurovisionsfinale am kommenden Samstag als weltoffene Musikhauptstadt.

Die Episode liegt 25 Jahre zurück. Damals, im Frühling 1985, herrschte spätabends auf der Osloer Flaniermeile Karl Johan zwischen Parlament und Königsschloss eine Stimmung wie beim Karneval in Rio. Und das nicht etwa, weil die norwegische Fußballmannschaft einen Sieg verbuchen konnte, sondern weil die Bobbysocks das Schlagerfestival der Eurovision gewonnen hatten, das dort bis heute den Kosenamen „Melodi Grand Prix“ trägt.

Das Damenduo Bobbysocks sang „Lass es swingen“ und holte damit erstmals den Grand Prix nach Oslo. Das war zu einer Zeit, als man den Song Contest anderswo wenn nicht ignorierte, dann nur mit Hohn überschüttete, und zum Feiern eines eventuellen Sieges wäre man in den Keller gegangen, damit es keiner merkte.

In Norwegen aber war das gleiche Programm ein nationaler Sammelpunkt. „Bis 1992 gab es bei uns nur einen Fernsehkanal“, sagt die Medienforscherin Gunn Enli von der Universität Oslo, „und dieser nahm seinen Aufklärungsauftrag sehr ernst.“ Da konnte ein Programm über das harte Leben der Lofoten-Fischer das Hauptabendprogramm füllen, abgelöst von einer Debatte über die Finanzierung des Dialekttheaters. „Es herrschte Hunger nach Unterhaltung“, sagt Enli. Das bunte Schlagerfest kam da gerade recht, wie auch die samstäglichen Übertragungen aus der englischen Fußballliga gigantische Seherquoten hatten, auch wenn Teams wie die Wolverhampton Wanderers und Westbromwich Alboin auf winterlichem Rasen grässlichen Fußball boten. Wenn am Samstag in der Telenor Arena das diesjährige Finale steigt, soll ganz Oslo wieder swingen. Ganz anders als damals, bei den Bobbysocks. Diesmal sorgen Großbildschirme für das erwartete Massenpublikum, und der für diesen Zweck geschaffene Flashmob-Tanz ist einstudiert. Die Party braucht auch nicht mehr einem nationalen Sieg zu gelten. Sie ist ein internationales Stelldichein, denn der „Grand Prix“ hat europaweit eine Renaissance erfahren, die rund 125 Mio. Fernsehzuseher verfolgen.


Als Norwegen 1996 zuletzt den ESC, wie er offiziell heißt, veranstaltete, reichten die 7000 Plätze im Oslo Spektrum aus. Diesmal ist die Telenor Arena mit 18.000 Sitzen fünfmal gefüllt, zu zwei Semifinalen, zwei Generalproben und zum seit Langem ausverkauften großen Finale. Längst sind auch alle Hotelzimmer in der Nähe der Stadt trotz verdoppelter Preise vergeben. Über der Stadt erhebt sich, von überall gut sichtbar, die Skisprungschanze am Holmenkollen. Oslo ist die Stadt, in der man am Nationaltheater in die Straßenbahn steigen kann und 20 Minuten später im weltweit wohl berühmtesten Skigebiet steht. Im Februar 2011 wird hier die Nordische Ski-WM stattfinden. „Aber der Grandprix ist größer“, sagt Per Sundnes, der Producer des Hostsenders NRK, „er ist unsere größte Aufgabe seit den Olympischen Spielen in Lillehammer.“

Damals, 1994, rührte Norwegen die Werbetrommel. Tolles Wetter, tolle Loipen, tolle Natur. „Damals schmückten wir uns mit Trollen und heiler Welt“, sagt Sundnes und man merkt ihm an, dass er dieses Image abstreifen will. „Share the moment“, heißt der Slogan, den man für den ESC gewählt hat. Modern will man sein, international, weltoffen – auch wenn man beim Touristenverband VisitOslo glücklich ist, dass die deutsche Vorausscheidung den Titel „Unser Star für Oslo“ trug. So viel Werbung kostet sonst eine Menge Geld.

Zehnmal war Norwegen Schlusslicht beim ESC, so oft wie sonst niemand. Als Jahn Teigan 1978 der Erste war, der nach der Abstimmung ganz ohne Punkte dastand, machte ihn dies zur nationalen Kultfigur. Fünf Monate lang dominierte sein Nuller-Song „Mil etter Mil“ die Charts.

Per Sundnes will „die beste Party“ veranstalten, die allen Europäern in Erinnerung bleibt. Doch er hat auch nationale Ambitionen. „Irland hat den ESC dreimal hintereinander gewonnen. Wir streben vier Siege in Folge an.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2010)

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