Ray Cokes und die Abneigung gegen Castings

Ex-MTV-Moderator Ray Cokes coacht heute die
Ex-MTV-Moderator Ray Cokes coacht heute die "Helden von Morgen" im ORF(c) ORF
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MTV-Legende Ray Cokes erzählte der "Presse" von seinem Leben danach, seiner Abneigung gegen Castings, und warum er für die ORF-Show "Helden von Morgen" eine Ausnahme macht.

Einst, so zwischen 1992 und 1996, kannten Ray Cokes 60 Millionen Menschen. 60 Millionen in 38Ländern sahen zu, wenn Ray Cokes in „MTV's Most Wanted“ bewusst konzeptlos Musikwünsche erfüllte, prominente Gäste aus der Popwelt empfing und mit ihnen schräge Spielchen spielte. Dann geriet eine Sendung außer Kontrolle, der Sender gab intern seinem prominenten Moderator die Schuld – und der warf alles hin.

14 Jahre und eine Fernseh-Ära später ist der 52-jährige Brite für einen Gastbesuch wieder auf Österreichs Bildschirmen zu sehen: Für die ORF-Show „Helden von morgen“ hat er in dieser Woche das Coaching für die eine Hälfte der zwölf verbliebenen Kandidaten übernommen – die anderen Hälfte betreut sein jüngerer MTV-Kollege Patrice Bouédibéla. Nach knapp drei Coaching-Tagen hat Cokes frei – und empfängt allein in der Bar des Hotels „The Ring“ zum Interview. Manager hat der Mann, der quer durch Europa noch immer von der MTV-Generation der über 30-Jährigen erkannt wird, keinen mehr. „Ich brauche keinen Rottweiler mehr, nur damit mich die Leute hassen.“ Auch sonst hat sich seit seinem MTV-Abgang einiges verändert – ideal für jede „Was wurde aus...?“-Rubrik. Zunächst fiel Cokes in ein tiefes Loch, seine Ehe zerbrach. Dann zog er nach Paris, moderierte zunehmend erfolgreiche Musiksendungen, erst bei Arte, dann für France 5, und wurde beinahe bürgerlich. „In der Seele blieb ich ein Punk, aber in Frankreich ist es schön, bourgeois zu sein, man isst und lebt so gut.“


Seine Freundin machte ihm allerdings genau das zum Vorwurf, gemeinsam zogen sie nach Berlin. Die Stadt entpuppte sich zwar als hip, aber auch als träger als erhofft – und dann war auch noch die Freundin weg. Anfang des Jahres geriet Cokes in eine veritable Krise. „Ich fragte mich: Was tue ich eigentlich? Der riesige Erfolg auf MTV hing wie ein Rucksack auf mir. Man weiß, man hatte seine 15 Minuten Ruhm, man kann das nie wiederholen.“

Und auch wenn seine 15 Minuten neun Jahre waren: Inzwischen ist die Welt eine andere, das Internet hat das Fernsehen abgelöst, MTV sich „an Klingeltöne und Konzerne verkauft“. Ab Jänner will der (ehemalige) Musikkanal als Bezahlsender neue Wege gehen. Was er davon hält? „Lächerlich. Wer will dafür zahlen, Reality-Schwachsinn zu sehen? Das ist der Anfang vom Ende. Wahrscheinlich bleiben ihnen noch ein paar Jahre, dann sind sie weg.“

Er selbst will weitermachen. „Ich bin gereist, habe nachgedacht und festgestellt, dass ich mag, was ich tue.“ Event-Moderationen, Fernsehshows – wie zuletzt eine Doku über belgisches Bier, die ihn dazu veranlasst hat, sich in Antwerpen niederzulassen. „Es ist angenehm dort, so klein, aber die Leute fühlen sich wie in einer Weltstadt.“

Und sonst? Fiel es ihm immer schwer, sich „im Fernsehen zu positionieren“. Sein Traum einer rockigen Kochshow, „Ray Cooks“, kam zu früh und wurde abgelehnt. Angebote für große Spielshows oder in die Jury von Castingshows hat er abgelehnt. „Ich hasse Castingshows. Ich weiß, wie es läuft. Und ich will nicht in zwei Sekunden einen 15 Jahre alten Traum zerstören, nur damit ein fetter Produzent reich wird.“ Wieso er dann bei den „Helden von morgen“ mitmacht? Weil Österreich sanfter sei, weicher, nicht so böse. Und weil er hier nicht in der Jury sitzt: „Der Zugang ist ein anderer, hier kann ich den Kids helfen.“

Er selbst plant ein Buch – und eine Musikshow für Leute wie ihn, die sich jung fühlen, und für die es „nichts gibt. Alles richtet sich an Zwölfjährige.“ Und dann gibt es da noch diesen Wiener Freund, der aus den Songs, die er in seiner Freizeit schreibt, ein Album machen will. Zwei Lieder haben sie diese Woche schon aufgenommen. „Er macht mir mit das Gleiche wie ich im Coaching mit den Kids“, stellt Cokes leicht verwundert fest. „Er erzählt mir, dass ich an mich glauben soll...“

Auf einen Blick

Ray Cokes (geb. 1958 auf der Isle of Wight) begann seine Karriere als Radiomoderator in Belgien, eher er ab 1987 als einer der ersten VJs den Aufstieg von MTV Europe mitbegründete. Seine Show „MTV's Most Wanted“ sahen zeitweise 60 Millionen Zuschauer. Cokes arbeitet immer noch als Moderator und lebt in Antwerpen. Heute abend ist der Veteran des Pop-Business gemeinsam mit Patrice Bouédibéla Coach bei der ORF-Talentsuche „Helden von morgen“. 20.15 Uhr, ORF1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2010)

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