Eine neue Biografie über Kate Middleton erzählt von Bergbauvorfahren und britischen Society-Events, aber nichts über die Königin in spe. Ist „Prinzessin Kate, die neue Königin der Herzen“, wie der Titel lautet?
Einmal, an der Uni, modelte sie auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung in einem durchsichtigen Kleid und nichts als Unterwäsche darunter. Und ein anderes Mal, in einer Disco, trug sie gelbe Hotpants und ein grünes, pailettenbesetztes Top und ließ sich, auf dem Rücken liegend, mit in die Luft gestreckten Beinen fotografieren – auch das im Dienst einer guten Sache, für ein Kinderkrankenhaus. Gut möglich, dass die Pose einer „künftigen Königin für unwürdig erachtet wird“. Dafür sind die beiden Begebenheiten auch das Aufregendste, das die neue Biografie über Kate Middleton zu bieten hat– und außerdem allgemein bekannt.
Nun muss eine Biografie ja nicht mit Skandalen aufwarten. Aber etwas, irgendetwas Persönliches würde man von einer Biografie erhoffen. „Prinzessin Kate, die neue Königin der Herzen“, wie der Titel lautet? Nach Lektüre dieses Buches nicht. Denn dass Kate von befragten Mitschülern bescheinigt wird, nett und vor allem sportlich zu sein, ist dünn. Dabei ist es verständlich, dass auch der Buchmarkt am Geschäft mit der anstehenden royalen Hochzeit mitnaschen und nicht alles den Häferl- und Tellerverkäufern überlassen will. Nach Bekanntgabe der Verlobung wurde daher auch in Windeseile Claudia Josephs im Vorjahr erschienene Biografie übersetzt und um ein letztes Kapitel ergänzt.
Doch so weit muss man erst einmal kommen, erst einmal muss man es bis zu Kate überhaupt schaffen. Denn die Verlobte von Prinz William wird erst auf Seite 116 geboren. Bis dahin wühlt man sich durch eine Vorstellung ihrer Vorfahren nach dem immer gleichen Strickmuster. Geburten, Hochzeiten, Umzüge, Todesfälle, Todesarten (häufig: Tuberkulose), Geburten...
Immerhin, man merkt, dass Autorin und Journalistin Claudia Joseph ihr Einkommen mit Rechercheaufträgen aufbessert und sowohl Genealogie als auch „Häuserforschung“ anbietet. Jedes Familiendomizil der vergangenen zwei Jahrhunderte wird genau beschrieben, jede Verzweigung der Familie ausführlich behandelt, das meiste dazwischen ist reine Mutmaßung.
Was soll auch überliefert sein an persönlichen Anekdoten ihrer Bergarbeiterahnen im viktorianischen England, konnten die doch, wie die Autorin regelmäßig anmerkt, nicht ahnen, dass ihre Nachfahrin dereinst in die königliche Familie einheiraten würde. Dabei wäre Middletons Stammbaum, auf weniger Seiten zusammengefasst, gar nicht so uninteressant.
Ihre Vorfahren mütterlicherseits schufteten teils in den Kohlebergwerken rund um Durham im Nordosten Englands, teils arbeiteten sie als Handwerker und Bauarbeiter. Das implizierte Märchen vom sozialen Aufstieg aus den Bergwerken in den Palast stimmt trotzdem nur zu einem kleinen Teil, stammt doch Kates Vater Michael Middleton von angesehenen Anwälten, Unternehmern und Fliegern ab.
Dennoch, so zeigt das Buch, wäre Kate heute nicht an der Seite des Prinzen, hätte sie nicht eine ehrgeizige Großmutter und eine geschäftstüchtige Mutter gehabt. Denn als Flugkoordinator und Stewardess hätten ihre Eltern sie und ihre Geschwister Pippa und James womöglich nicht auf jene Privatschulen und Unis (St. Andrews) schicken können, in denen man auf Mitglieder des Königshauses trifft. Gut, dass Kates Mutter Carole schon früh aus der Not mit den vielen Kinderpartys eine Tugend gemacht und irgendwann begonnen hat, im Bekanntenkreis fertiges Partyzubehör zu verkaufen. Woraus ein florierendes Unternehmen entstand.
Letzteres ist wiederum bekannt, wie auch die Eckpunkte von Kates Beziehung mit Prinz William. Sie trafen sich beim Studium in Schottland, nach einem Jahr zogen sie in eine gemeinsame WG. Wann daraus mehr wurde, weiß auch die Autorin nicht. Wie alle anderen muss sie sich auf Interpretation äußerer Anzeichen verlassen. Bei welcher Studentenfeier, welchem Reitturnier wurden die beiden zusammen gesehen, bei welchem nicht? Zu welcher Hochzeit, auf welchen Urlaub wurde Kate mitgenommen, auf welchen nicht? Wann verließ das Paar die Londoner In-Clubs der High Society gemeinsam, wann getrennt? Und bedeutete das schon eine Krise – oder handelte es sich um reine Vernebelungstaktik? Denn eines, das wird auch in diesem Buch klar: Diskretion – die beherrscht Kate Middleton.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2010)