Ildikó Raimondi: Die große Tochter der Staatsoper

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Sopranistin Ildikó Raimondi über ihre Kindheit in Rumänien, Europa, Frauen in der Oper und die neue Bundeshymne, die sie schon gesungen hat. Raimondis Talent erkannte ihr „allerbester Freund“ – der Pfarrer.

Ildikó Raimondi ist eine tolle Sängerin. Das weiß man – sonst wäre sie auch nicht seit 20 Jahren an der Wiener Staatsoper engagiert. Fesselnd zu erzählen kommt im Jobprofil einer Opernsängerin hingegen eher weniger vor. Aber Ildikó Raimondi könnte man stundenlang zuhören, wenn sie Künstlerkreise aus dem 19. Jahrhundert aufleben lässt oder aus ihrer Kindheit in Rumänien erzählt.

Anlass für das Gespräch im Teesalon der Staatsoper: ihre neue CD, auf der sie Goethe-Lieder des tschechischen Komponisten Johann Wenzel Tomaschek singt. Er ist ziemlich vergessen, Quoten garantiert so ein Projekt nicht. Doch für Raimondi, die sich seit Jahren mit Tomaschek beschäftigt, ist seine Wiederentdeckung ein Herzensanliegen. „Es gibt ganz große, und es gibt große“, sagt sie. Tomaschek sei immerhin ein Großer gewesen, aber ohne die nötige PR-Maschinerie. „Die hat man auch im 19. Jahrhundert gebraucht, damit nach dem Tod Manuskripte gesichert und Partituren gedruckt werden. Von selbst läuft nirgends etwas, auch bei Genies nicht.“

Auch nicht, wenn es um die Bundeshymne geht, die die damalige ÖVP-Frauenchefin Maria Rauch-Kallat Mitte 2011 an das 21. Jahrhundert anpassen wollte. Raimondi stand damals gerade im Studio – und zweigte dort gern ein wenig ihrer Zeit ab, um der Diskussion um den neuen Text eine gesungene Grundlage zu liefern. Raimondi sang als Erste von der „Heimat großer Töchter und Söhne“, ab 1. Jänner ist die neue Version Gesetz. Die Hymne, sagt die 49-Jährige, „war einst ohnehin eine schnelle Lösung. Inzwischen hat sich in Österreich so vieles positiv verändert – warum soll man das nicht auch in der Hymne zeigen? Auch wenn noch immer nicht alles in Ordnung ist.“


Das gilt auch für die Oper. „Auch hier liegen Frauen gehaltsmäßig im Durchschnitt unter den Männern“, sagt Raimondi. „Hingegen ist ein Tenor auch etwas Selteneres als ein Sopran.“ Zudem hätten Frauen altersmäßig ein Problem. Physisch, „weil Frauenstimmen früher verblühen“. Und in den Köpfen: „Es wird als selbstverständlich angenommen, dass ein 60-Jähriger den Liebhaber spielt, aber mir wurde schon mit 40 gesagt: ,Was, Sie wollen immer noch Figaros Susanna spielen?‘“ Wobei, es wäre nicht Raimondi, würde sie nicht alle Aspekte bedenken. „Natürlich hat die Jugend etwas, was man nicht aufwiegen kann. Aber man muss den Menschen sehen. Lasst alle singen!“

Raimondis eigenes Talent erkannte einst ihr „allerbester Freund“ – der Pfarrer. Geboren 1962 in einem winzigen ungarischen Dorf hinter der rumänischen Grenze, ging sie jeden Nachmittag zu ihm – allein, denn die Familie eines Polizisten durfte mit der Kirche nichts zu tun haben. Schon als Zweijährige soll sie Pfarrer und Pfarrersköchin im Garten Konzerte gegeben haben. Ihre Mutter sang selbst gern – und erzog ihre Tochter vor allem zu Furchtlosigkeit. „Das hat dazu geführt, dass ich schon als Kleinkind regelmäßig verschwunden bin, am liebsten bei Gewittern in der Nacht. Ich fand es wunderschön, wenn die Bäume rauschten.“

Lehrer erkannten ihr Können, sorgten für ihre Ausbildung. Hinter dem Eisernen Vorhang, inmitten der Diktatur, träumte Raimondi von Callas, Mozart und der Wiener Staatsoper. „Ich wusste sogar, dass es einen Belvedere-Wettbewerb gab. Aber nicht, wie ich einen Pass bekommen sollte.“ Eine Ehe führte sie dann nach Italien (und zu ihrem Nachnamen); 1988 gewann sie wirklich den besagten Wettbewerb in Wien.

Dass sie für ein Konzert in Deutschland kein Visum braucht, ist für sie „heute noch nicht selbstverständlich“. Wenn man ihr an der rumänischen Grenze winkt, ist sie gerührt. Nachvollziehbar, dass die Österreicherin (seit 1997) vieles in einem europäischen Kontext sieht – nicht nur das Leben des Komponisten Tomaschek. „Grenzen bedeuten nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geistige Trennung. Die wirkliche Stärke der EU wäre, wenn auch die Köpfe vereint wären.“

Zur Person

Ildikó Raimondi ist ungarischer Abstammung und wurde 1962 in Rumänien geboren. 1988 gewann sie den Wiener Hans-Gabor-Belvedere-Gesangswettbewerb in der Kategorie Operette. Ende 1991 gab sie ihr Debüt an der Wiener Staatsoper. In erster Ehe war Raimondi mit einem Italiener verheiratet; später heiratete sie den Germanisten Herbert Zeman. Sie hat zwei Söhne. Zuletzt sang sie die neue Textversion der Bundeshymne und brachte eine CD mit Goethe-Liedern von Johann Wenzel Tomaschek heraus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2011)

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