Gery Keszler: Der Feinmechaniker des Life Ball

Gery Keszler Life Ball
Gery Keszler Life Ball(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Am Samstag bittet Gery Keszler zum 20. Mal zum Life Ball ins Wiener Rathaus. Der heurige Ball dürfte für ihn besonders emotional werden. Doch wie tickt der Mann, der die Weltstars nach Österreich bringt?

Es ist, sagt Gery Keszler „nicht grad das dezenteste Teil“: das Collier, das er mithilfe eines Wiener Juweliers für die Gala fertigt, die dem Life Ball heuer vorangeht. Für das 20-Jahr-Jubiläum nächsten Samstag werden Weltstars koordiniert und der Rathausplatz zur Megabühne umfunktioniert. Und in den Stunden, in denen er eigentlich schlafen sollte, beschäftigt sich Keszler mit der Verarbeitung von 5500 Diamanten.

Wie nähert man sich Gery Keszler am besten? Vielleicht wirklich über die Dinge, die er mit seinen Händen schafft. Jedes Jahr stammt ein Life-Ball-Stück aus seiner an der HTL Mödling in Feinmechanik ausgebildeten Hand. Poseidons Krone, Wotans Hut: Wer als Journalist beim jährlichen „Style Bible“-Shooting mit Keszler sprechen will, muss warten, die Details sind wichtiger. Denn es sind die Details, die tausend kleinen Dinge, die am Ende das große Ganze ausmachen – und Keszler hat überall die Finger im Spiel.

Dass das nicht immer einfach ist, hört man sogar auf der Pressekonferenz. „Jeder weiß, wie ich drauf bin, und dass mir nichts an Mittelmaß genügt“, sagte Keszler dort. „Das ist ab und zu nicht unanstrengend“, bestätigt Norbert Kettner, heute Wiens Tourismuschef, früher Journalist, dann Mitarbeiter des damaligen Stadtrats Sepp Rieder. Er erinnert sich noch an die erste Begegnung mit Keszler, „in dem furchtbaren Kammerl, in dem die Bürgermeister-Pressekonferenzen stattfanden“. „Ganz klein“ sei Keszler neben Zilk gesessen, der ins Publikum reingedonnert habe: „Helft's dem Buam!“

Keszler, der erfolgreiche Visagist, war gerade aus der Pariser Glamourwelt zurückgekehrt und wollte etwas gegen die unheimliche Krankheit tun, die in seinen Kreisen grassierte. Eine „eingeschworene Gemeinde“ sei man damals, beim ersten Life Ball 1993, gewesen, erinnert sich Kettner. Heute besuchen den Ball Politiker, Unternehmer, Adabeis, er versammelt Bill Clinton, den Burgtheater-Direktor, den „Jedermann“ Nicholas Ofczarek, und beim Red Ribbon Concert wirken, nachdem Keszler „mit schlottrigen Knien“ bei Clemens Hellsberg vorgesprochen hat, auch die Wiener Philharmoniker mit. Seit ein paar Jahren gibt es Mottos, die die Zurschaustellungslust einzelner Teilnehmer zügeln sollen. Manche aus der einstigen Community nehmen Keszler das übel: dass er in die Breite gegangen ist, um eine breite Masse zu erreichen. Und immer noch hat Keszler Angst, man könnte nicht verstehen, worum es ihm geht.


Bussi-Bussi und Todesangst. Mitunter verstrickt er sich im Spannungsfeld zwischen Hilfe und Selbstzweck, Oberfläche und Tiefe, Lebensfreude und Todesangst, das den Life Ball und die dahinterliegende Arbeit charakterisiert. Sagt, dass er niemanden ausgrenzen will, und tut es dann doch – 2009 wollte er Society-Reporter Dominic Heinzl verbannen, heuer lud er Richard Lugner wegen unqualifizierter Aussagen zu Homosexualität und Aids aus, und vor einer Woche legte er sich im Zuge einer selbstkritischen Analyse mit der „Marchfelderhofsociety“ an, einer Bussi-Bussi-Clique, in der er selbst schon Gast war.

„Man kann diskutieren, ob jeder Strauß, den er beginnt, strategisch gescheit ist“, meint Kettner, der zehn Jahre lang als Kassier in Keszlers Verein Aids Life saß. „Aber er tut's, offen und nicht verdeckt, und das ist sehr erfrischend.“ Überhaupt sei der 48-Jährige „ein unglaublicher Netzwerker, aber kein Packler“. Und heute noch so schüchtern wie damals neben Zilk. „Goschert, aber schüchtern. Er leidet bei öffentlichen Auftritten. Was sehr für ihn spricht. Er ist immer noch mit Herzblut dabei.“

Der heurige Ball dürfte für den Mann, der schon einmal öffentlich weint, besonders emotional werden; schon bei der Suche nach Fotos aus den letzten 20 Jahren kamen Erinnerungen hoch – nicht zuletzt an Aids-Life-Mitbegründer Torgom Petrosian, der nur Monate nach dem ersten, einmalig geplanten Ball starb, und dem Keszler am Sterbebett einen zweiten versprach.

Schon beim ersten Ball war auch Moderatorin Chris Lohner dabei, auch sie heute eine Freundin, im Vorjahr „Päpstin“, heuer in der Kostümjury. „Ich war die Erste, die Gery Keszler damals gefragt hat, ob sie mitmacht. Es gab einige, die mich gewarnt haben, dieser Schwulenball würde meinem Ruf schaden. Aids wurde ja nur der homosexuellen Szene zugeordnet, und Homosexualität war kein Thema. Gery ist maßgeblich daran beteiligt, dass das heute nicht mehr so ist.“ Bis heute sei er ein bescheidener Mensch geblieben. „Aber wenn man etwas aufzieht, das international so Aufsehen erregt – da kommen Neider.“ Dabei sei er professionell – und habe „unglaublich nette, gute Leute“.

Genau die allerdings fühlen sich mitunter etwas unbedankt. Urlaubslose Zeiten, wenig Schlaf, Ausnahmezustand schon lang vor dem Ball: Was Keszler leistet, erwartet er auch von anderen. Work-Life-Balance sei schwer möglich, Keszler opfere sich selbst und fordere das auch von allen anderen. „Das, was er sich aufhalst, sprengt einen Tag. Vielleicht ist er deshalb so gereizt“, mutmaßt ein ehemaliger Mitarbeiter. Ein Danke habe es nie gegeben, erinnert sich eine andere.


Ziel Stephansdom. Gleichzeitig sehnt sich Keszler nach Harmonie und arbeitet daran, alle hinter seinen Zielen – gegen Aids, für Toleranz – zu vereinen. Weit ist er schon gekommen, ein paar Herausforderungen bleiben. Am liebsten hätte er das Red-Ribbon-Konzert nicht im Burgtheater, sondern im Stephansdom stattfinden lassen. Das, findet er, hätte gepasst. „Aber der Kardinal hat mir geschrieben, das sei noch ein sehr, sehr langer Weg.“

Gery Keszler

wurde am 27. Juli 1963 in Mödling geboren und wuchs in Brunn am Gebirge auf. Sein Vater verließ die Familie kurz nach seiner Geburt und zog mit einer Freundin seiner Mutter nach Australien.

1983 begann Keszler seine Wanderjahre, arbeitete in Australien als Opalschürfer und Zirkuskoch, reiste durch Asien und ließ sich in Österreich zum Visagisten ausbilden. In Paris arbeitete er für Designer wie Thierry Mugler.

1992 gründete er mit dem Arzt Torgom Petrosian den Verein Aids Life, 1993 fand der erste Life Ball statt, bereits damals im Wiener Rathaus.

Keszler liebt die Oper, er bezieht seine Inspiration aus Musik, Geschichte und Mythologie und bezeichnet sich selbst als konservativ. Er arbeitet das ganze Jahr über am Life Ball, nur im Sommer zieht er sich für einige Wochen in sein Kellerstöckl im Südburgenland zurück, wo er Erdäpfel anbaut und Marmelade einkocht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2012)

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