Als Vivienne Westwood sich in Wien verliebte

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Vor 20 Jahren beendete die Rathauswache den Life Ball vorschriftsmäßig um vier Uhr. Mit der Zeit wurde der Ball größer, wichtiger und glatter. Ein Rückblick.

An der Abendkasse gab es noch verbilligte Karten um 300 Schilling (rund 22 Euro). Der erste Life Ball, dessen Einnahmen den Opfern der Krankheit Aids zugutekommen sollten, war ein improvisierter, lustiger und eigentlich fast unspektakulärer Ball.

Gut, es war neben dem sehr Party-ähnlichen Rosenball der erste echte Schwulen- und Modeball in Wien. Das Rathaus wurde nicht übertrieben dekoriert, die VIP-Zone war lediglich ein Ehrentisch und gegen vier Uhr versammelten sich die Angehörigen der Rathauswache, um die sonderbaren, halb nackten tanzenden Gestalten, ganz bestimmt und nicht sonderlich freundlich, hinauszukomplimentieren.

Selbst die englische Modedesignerin Vivienne Westwood, die an diesem Abend ganz kurz ihr romantisches Herz, an einen jungen Wiener mit Salzburger Wurzeln, verloren haben soll, ging. Und auch der Rest, die alte Wiener Clubszene, folgte brav und tanzte sonst wo weiter.

Nur wenige Jahre später, zwischendurch in der sonderbaren Location Hofburg, war alles anders: Die meisten Gäste, die die begehrten Karten ergattert hatten, kamen zum Schauen und nicht selbst zum Feiern. Viele kleideten sich nicht mehr besonders und gut für diesen Abend, sondern verkleideten sich wie für den Karneval.

So mancher Ball bekam dann dadurch eine sonderbar provinzielle Note, wenn halb nackte Abteilungsleiter und D-Promis stundenlang durch das Rathaus streiften, um zu sehen oder zu erleben, was sie selbst nicht machen konnten. Und natürlich gefiel das auch jenen Selbstdarstellern, die bei der sexuellen Pose gerne ein Publikum haben. Auch die VIP-Zone wurde von Jahr zu Jahr größer, bekam in einigen Jahren auch optisch etwas von einer Trutzburg, in der sich Sponsoren und ihre Gäste verstecken konnten und dort das taten, was sie immer tun: trinken, übereinander reden und schauen, wer das einen Tisch weiter auch macht.

Das Wichtigste am Life Ball ist der harte Kern der großteils erstaunlich konservativen Wiener Schwulenszene, der Jahr für Jahr dem Ball die Treue hält und dort feiert, als gäbe es den ganzen Auftrieb nicht. Das ist selbstverständlich auch Koketterie, aber gehört auch zum Selbstverständnis, den international wichtigsten Glamour-Ball durchzutragen. Mit und für den vor 20 Jahren kleinen, freundlichen Gery Keszler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2012)

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