Stilkritik: Der Nikolo und das Phantom der Oper

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, um Wiener Geschmacksfragen zu diskutieren, als den Opernball. Die heimische Prominenz setzte auf „Shades of Purple“.

Seit dem heurigen Opernball weiß man also, wie sehr die Red-Carpet-Stilassoziationen der heimischen Prominenz und jene der in Hollywood angesiedelten divergieren. Während nämlich die mit Investment- und Mörtelschotter eingeflogenen Filmstars Hilary Swank und Mira Sorvino sich in beigelich-güldenes Nude hüllten, hatten viele österreichische Damen den Hit „Purple Rain“ zu ihrer Stilhymne gemacht; hier wären etwa die Ministerinnen Schmied und Bures, aber auch First Lady Margit Fischer zu nennen.

Der Loriot-Fans seit „Ödipussi“ bekannten Tatsache trotzend, dass Violett die Farbe des Trübsinns ist, hatte ja Desirée Treichl-Stürgkh höchstselbst sich für eine Blumendekoration der Oper in dieser Nuance entschieden und, vielleicht um ihre Gastgeberinnenrolle zu unterstreichen, auch eine darauf abgestimmte große, ja geradezu riesige Robe ausgewählt.

Während also DTS (wie die Franzosen sie nennen würden) mit der Szenerie verschmolz, hob sich auch „ORF-Lady“ Mirjam Weichselbraun kaum vom Untergrund des roten Teppichs ab: Ihr rotes Abendkleid mit Rückenausschnitt samt Reißverschluss-Saum des Typs „très osé“ mutete auf den ersten Blick ja wie ein festlicher Jogginganzug-Remix an. Die Figur, die ihr das Tragen dieses Schlauches ermöglicht, hat Weichselbraun dank des Verzehrs von Biomüesliriegeln, wie praktischerweise die Werbepause im TV erwies.

Ein Glanzlicht war aber der Auftritt von Gina Lollobrigida, die sich im Alter von 85 Jahren noch erstaunlich ähnlich sieht: Das ist, siehe etwa Shirley McLaine, die aktuell nicht mehr als sie selbst erkennbar ist, keineswegs selbstverständlich, weshalb man die großartige Diva auch nicht für ihren bizarren Plissee-Überwurf, Modell „Nikolosackerl“, schelten möchte. Lollobrigida gelangte übrigens 1956 mit dem Film „Der Glöckner von Notre-Dame“ zu Weltruhm, was an dieser Stelle einen lautmalerisch eleganten Übergang zu Harald Glööckler ermöglicht.

Letzterer lieferte einen natürlich komplett entbehrlichen Auftritt, der sowohl in die Kategorie „Phantom der Oper“ wie auch zum Schlagwort „die Rache des Bürgers am Hochadel“ passte. Der mit ridikülem Strass beklebte Designer zwängte nämlich Xenia zu Sachsen in einen Sisi-meets-Barbie-Hybridlook und bescherte der Prinzessin damit immerhin ein aristokratisches Kaiserinnen-Upgrade.

Für Gesprächsstoff mit Modebezug sorgte auch das erstaunlich unaufregende 150.000-Euro-Kleid von Patricia Schalko. Pelzgegner gerieten derweil ob eines wuscheligen Capes auf den Schultern von Marika Lichter in Rage. Abgeraten hätte man vielleicht Barbara Rett von der den Hals verlängernden Neckholder-Lösung ihres Kleids, auch die giftgrüne Collierfantasie, die sich an Sarah Wieners Dekolleté schmiegte, war, nun ja, sehr grell. Die spannende Frage, wie Christiane Hörbiger ihre kühne Frisur aus dem Vorjahr getoppt hätte, ließ sich ob deren Fernbleibens nicht klären. Doch der nächste Opernball folgt ja bestimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

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