Just "Yellow Press" erregt sich über nackte Haut

Just Yellow Press erregt
Just Yellow Press erregt(c) AP (Rick Rycroft)
  • Drucken

Britische Medien – sonst nicht gerade dafür bekannt, die Privatsphäre von Prominenten zu respektieren – empören sich über die Oben-ohne-Fotos von Kate Middleton. Diese und ihr Mann William haben Anzeige erstattet.

Barbusige Frauen sind gut für die Auflage. Nach diesem Grundsatz operiert die britische „Sun“ seit Jahrzehnten – wie sie mit ihren halb nackten Seite-drei-Modellen täglich beweist. Doch auch Britanniens meistgelesene Zeitung gibt sich empört: Die Oben-ohne-Fotos von Kate Middleton „würde keine anständige britische Zeitung mit der Beißzange anfassen“, so das Murdoch-Blatt in einem Leitartikel.

Seit das französische Klatschmagazin „Closer“ und dann das italienische Schwesterblatt „Chi“ (beide gehören zum Medienimperium von Italiens Ex-Premier Berlusconi) die unscharfen Fotos von Prinz William und seiner Frau am Privatpool in der Provence veröffentlichten, ist die Aufregung in Großbritannien riesig. William und Kate haben am Montag Strafanzeige gegen Unbekannt bei der französischen Staatsanwaltschaft erstattet. Auch die Presse schießt scharf: „Grinsende Perverse“ säßen in der Chefredaktion der Blätter, so der königstreue „Daily Telegraph“, nur „fiese Voyeuristen“ würden die mit einem Tele aus gut einem Kilometer Entfernung aufgenommenen Bilder veröffentlichen, schimpfte auch der republikanisch-angehauchte „Independent“.

Der deutsche Bauer-Verlag, dem die britische „Closer“-Ausgabe und die Namensrechte gehören, drohte den Franzosen mit Lizenzentzug und forderte sie erfolgreich auf, die Fotos unverzüglich von ihrer Internetseite zu nehmen. Besonders drastisch ist die Reaktion von Verleger Richard Desmond, dessen britische Blätter „Daily Express“ und „Ok!“ nicht gerade berühmt sind für ihren Respekt vor der Privatsphäre von Prominenten: Er kündigte wütend an, seine 50-prozentige Beteiligung am „Irish Daily Star“ aufzukündigen. Auch das Dubliner Boulevardblatt hatte die Fotos gedruckt – nun droht der Redaktion deshalb das Aus.

Keiner will sich's mit den Royals verderben

„Es ist die typische hysterische Reaktion auf alle Geschichten rund ums Königshaus – und da ist schon ein Stück Heuchelei im Spiel“, so Professor Neil Blain von der University of Sterling, der seit Jahren das Verhältnis von Medien und Monarchie in Großbritannien studiert. „Die Presse hier glaubt, dass es ein großes öffentliches Interesse an ständigen Königshausgeschichten gibt. Und sie will es sich mit dem Buckingham Palace nicht verderben, weil sie dann ihren Zugang zu Informationen verlieren könnte.“



Dabei ist die Inselpresse sonst alles andere als zurückhaltend: Nicht nur die Privatsphäre (die in der – ungeschriebenen – britischen Verfassung nicht gesondert geschützt wird) wird skrupellos verletzt. Um ihrer selbst verordneten Rolle als vierte Gewalt im Staate gerecht zu werden, recherchieren britische Reporter gern „undercover“, um etwa die Missetaten von Politikern aufzudecken. Das musste beispielsweise Ernst Strasser (ÖVP) erfahren, der als EU-Parlamentarier 2011 den Redakteuren der „Sunday Times“ auf den Leim ging und sich vor versteckter Kamera überreden ließ, gegen Geld ein Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen.

Auch gegenüber den Royals waren britische „Tabloids“ nicht immer so zurückhaltend: In den 1990er-Jahren druckten „Sun“ und „Mirror“ reuelos Nacktfotos von Prinz Andrew und seiner Exfrau Sarah Ferguson. Williams Mutter Diana konnte keinen Schritt tun, ohne dass ein Fotograf die Linse auf sie richtete.

Seit Dianas Tod ist alles anders

Doch seit dem Unfalltod der Prinzessin, die im August 1997 in einem Pariser Tunnel auf der Flucht vor Paparazzi starb, geht die britische Presse etwas sanfter mit ihren Royals um – freilich mit Ausnahmen: So erntete die „Sun“ erst diesen August reichlich Kollegenschelte, weil sie Fotos von Prinz Harry beim Strippoker in Las Vegas nachdruckte. Doch Kate und Harry sind nach dem Privatsphären-Verständnis der „Sun“ nicht zu vergleichen: Schließlich habe der Prinz wildfremde Leute in sein Hotelzimmer geladen – und sei deshalb selbst verantwortlich für die Fotos. Blain hat eine andere Erklärung für die Ungleichbehandlung: „Kate hat, anders als Harry, bisher nur positive Berichterstattung gehabt. In diese Narrative würden Oben-ohne-Bilder einfach nicht passen.“ Auch andere Promis seien derzeit relativ sicher – die Redaktionen könnten sich keine drastischen Übergriffe erlauben: Eine Untersuchungskommission erarbeitet Vorschläge für eine strengere Regulierung der Presse. Sie war nach dem Abhörskandal bei der inzwischen geschlossenen Murdoch-Zeitung „News of the World“ eingesetzt worden. Die Anhänger der bisherigen freiwilligen Selbstkontrolle benutzen nun ausgerechnet den Fall Kate oben ohne als Argument gegen strengere Gesetze, ähnlich jenen in Frankreich: Offensichtlich schützten die nicht vor Veröffentlichung, so der Ex-Chefredakteur des liberalen „Guardian“, Peter Preston.
Seine Empfehlung an alle Promis: „Ziehen Sie auf einer heißen Terrasse in der Provence nicht Ihr Oberteil aus, wenn man Sie von der Straße aus sehen kann. Das ist so, als ob man eine Vegetarierkonferenz im Löwenreich abhalten würde.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Closer
Royal

"Closer" übergab britischem Königshaus Kate-Fotos

Die Speicherkarte mit den Oben-Ohne-Fotos der britischen Herzogin Catherine wurden wie gerichtlich angeordnet Vertretern der Monarchenfamilie übergeben.
ObenohneBilder Gericht gibt Royals
Royal

Oben-ohne-Bilder: Gericht gibt den Royals recht

Das französische Klatschmagazin "Closer" soll Prinz William und seiner Gattin, Herzogin Kate Middleton, die Originalfotos binnen 24 Stunden aushändigen – sonst drohen 10.000 Euro Geldbuße.
ObenOhneFotos Aufnahmen Kate duerfen
Royal

Kate oben ohne: Einstweiligen Verfügung gegen "Closer"

Ein Gericht untersagte dem französischen Klatschmagazin "Closer" die Verwendung der Oben-Ohne-Aufnahmen von Herzogin Kate. Abgesehen davon steht dem Magazin ein Strafverfahren ins Haus.
ObenohneFotos Irische Zeitung suspendiert
Royal

Oben-ohne-Fotos: Irische Zeitung suspendiert Chefredakteur

Die Zeitung "Irish Daily Star" veröffentlichte die umstrittenen Bilder von Kate. Eine interen Ermittlung wurde eingeleitet.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.