Großbritannien: Gott schützt die Königin

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Queen Elizabeth stellt am Mittwochabend den Rekord von Königin Victoria (1837-1901) als längstdienende britische Monarchin ein. Sie regiert seit 63 Jahren und sieben Monaten. Groß gefeiert wird das erst zu ihrem Neunziger 2016.

Sie wolle „absolut kein Aufhebens“, heißt es aus dem Buckingham Palace, doch ganz konnte Ihre Majestät ihren Willen nicht durchsetzen: Wenn Queen Elizabeth am 9. September gegen 17.30 Ortszeit, mit 63 Jahren, sieben Monaten, zwei Tagen, 16 Stunden und 30 Minuten auf dem Thron zur längstdienenden Monarchin in der Geschichte des Vereinigten Königreichs wird, soll alles Business as usual sein. Um aber „dem Wunsch der Bevölkerung stattzugeben, sich an diesem Tag der Öffentlichkeit zu zeigen“, wird sie immerhin am Mittwoch eine Bahnlinie in Schottland eröffnen.

Daneben wird sie im Parlament gewürdigt, ein Kuchenwettbewerb wird abgehalten und das Jubiläum auf Porzellansouvenirs festgehalten. Erst wenn die Queen am 21. April 2016 ihren 90er begeht, soll im ganzen Land gefeiert werden. Schon heute ist sie mit Abstand die älteste britische Herrscherin, denn ihre Ururgroßmutter Victoria starb 1901 mit 81 Jahren. King George III. (Regierungszeit 1760–1820) liegt mit ebenfalls 81 Jahren, aber vier Tagen weniger als Victoria, auf Platz drei der Altersliste. Victoria ist es auch, die von Elizabeth nun amtszeitmäßig überrundet wird: Diese Monarchin, die einer Ära ihren Namen gab, das Empire am Zenit seiner Macht regierte und mütterlicherseits Deutsche war, regierte von 1837 bis 1901 besagte 63 Jahre und sieben Monate.

Dienen als Lebenszweck

Die junge Elizabeth (*1926) war durch die Abdankung ihres Onkels Edward VIII. 1936 in die Reihe der Thronfolge gerückt. „Heißt das, dass du eines Tages Königin werden wirst?“, fragte ihre jüngere Schwester Margaret. Als Liz erwiderte: „Ja, eines Tages“, seufzte Margaret: „Du Arme.“ Während ihre jüngere Schwester das Leben in vollen (Lungen-)Zügen genoss, stellte Elizabeth immer ihre royalen Pflichten an erste Stelle: „Ich erkläre, dass mein ganzes Leben, mag es kurz oder lang sein, dem Dienen gewidmet sein soll“, sagte sie 1947 im Rundfunk.

Knapp fünf Jahre später, am 6. Februar 1952, starb ihr Vater George VI. und sie trat die Nachfolge an. Nach Ablauf eines Trauerjahrs wurde sie am 2. Juni 1953 in der Westminster Abbey gekrönt. Es war das erste Mal, dass die Zeremonie im TV übertragen wurde. Da war die Auflösung des Empires bereits im Gang, das Land verlor den Großteil seines Kolonialreichs und ging durch tiefe Krisen. In Nordirland wuchsen sich Unruhen zum gewaltsamen Konflikt aus. In den 1970ern stand Großbritannien vor dem Bankrott. Zwölf Premierminister sah die Queen kommen und gehen. Der Historiker Andrew Gimson meint: „Im Rückblick wird man es als beispiellose Leistung erkennen, dass sie in einer Zeit solch umfassender Veränderungen so sicher auf dem Thron geblieben ist.“ Laut aktueller Umfrage wollen 70 Prozent der Briten die Monarchie behalten.

Trotz der reduzierten geopolitischen Rolle Londons ist Elizabeth noch Staatsoberhaupt in 16 der 53 Länder des Commonwealth, des Folgestaatenbundes des Empires, etwa in Australien, Kanada und Belize. Dem Commonwealth steht sie ebenso vor wie der Church of England. In den 63 Jahren besuchte sie 116 Länder, 1969 auch Österreich. Kein Land besuchte sie öfter als Kanada mit 24 Visiten. Heute übernimmt ihr ältester Sohn und Thronfolger, Prinz Charles (*1948), die meisten Reisen. Mit seinen bald 67 Jahren hält er den Rekord als am längsten wartender Thronfolger der britischen Geschichte. Doch eine Abdankung der Queen ist ausgeschlossen. „Für das Leben heißt für das Leben“, soll sie gesagt haben.

Vorbei die bösen Krisen

Daneben hat sie mit ihrem Mann Philip, dem Duke of Edinburgh (er hat deutsch-dänisch-steirische Wurzeln), noch Tochter Anne (*1950) und die Söhne Andrew (*1960) und Edward (*1964). Von ihnen hat sie acht Enkel und vier Urenkel. Jüngstes Mitglied der königlichen Familie ist die im Mai geborene Prinzessin Charlotte, Tochter von Prinz William und Kate Middleton, heute Herzogin von Cambridge. Nur mehr ein ferner Schatten sind das Annus horribilis 1992, als drei Ehen der Kinder scheiterten und der Palast in Windsor brannte, sowie der Sommer 1997, als der Tod von Lady Diana eine nationale Hysterie auslöste, die das Königshaus wanken ließ.

Das ist lang vorbei und subtile Schritte wandten die öffentliche Wahrnehmung ins Positive. Gern wird über den Charakter der Queen spekuliert. Sie sei pflichtbewusst, sparsam, bescheiden, humorvoll, gütig, eine gute Zuhörerin, heißt es. Ihr Enkel William hieß sie „Quelle des Stolzes und der Rückversicherung“. Premier David Cameron pries sie als „dauerhaften Anker, der uns vor Stürmen schützt“.

Die Royals sind jedenfalls eine Projektionsfläche für die Nation. „Wenn wir schon ein Königshaus haben müssen, dann lasst es ein Mythos sein, nicht reale Personen“, meint der Autor Matthew Parris.

LEXIKON

Victoria (1819–1901, Königin ab 1837) führte das Empire am Zenit seiner Macht. Ihr Vater war aus dem Haus Hannover, das seit 1714 die britischen Könige stellte, ihre deutsche Mutter aus dem Haus Sachsen-Coburg-Saalfeld. Mit Victoria endete die Hannoveraner-Herrschaft über das Empire, ihr Erbe, Eduard VII., zählte zum Haus Sachsen-Coburg und Gotha, seit 1917 Windsor genannt. [ Wikicommons ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2015)

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