Im Boot ohne Tiger

Im Boot ohne Tiger Oder: Was Meryl Streep von Christoph Waltz für die Oscars noch lernen kann.

Mit der Oscar-Verleihung ist es heuer wie mit der Fußballweltmeisterschaft: Es sind keine Österreicher dabei. Während wir uns beim Fußball seit Langem daran gewöhnt haben, gibt es beim Oscar nach den irreal erfolgreichen vergangenen Jahren schon so etwas wie einen Phantomschmerz. Aber das hat auch einen großen Vorteil: Wir können diesmal ganz entspannt zuschauen. Bei den Olympischen Spielen in Sotschi ist es übrigens wieder ganz anders: Wir sind voll dabei, können aber trotzdem nichts gewinnen.

Die Waltz-Haneke-Ruzowitzky-freie Oscar-Nacht bringt uns jedenfalls in die Position, eine unverdächtige Beurteilung der Nominierungen vornehmen zu können, wir haben ja keine eigenen Interessen. Zuallererst fehlt uns Robert Redford unter den Nominierten als bester Hauptdarsteller. Natürlich auch aus nostalgischen Gründen (Wer das Jachtpannen-Drama „All Is Lost“ im Kino gesehen hat, dem ist sicher auch der Altersschnitt im Saal aufgefallen. So wird das einmal sein, wenn George Clooney mit achtzig Jahren wieder einen Film macht und alle Fans der Kaffeekapselwerbung sich noch einmal auf den Weg ins Kino machen). Aber es wäre natürlich auch eine Hollywood-taugliche Geschichte gewesen: Der Großschauspieler Redford, der als Schauspieler aber nie einen Oscar bekommen hat (als Regisseur aber schon), gewinnt auf seine alten Tage.

Sonst betrübt uns eine gewisse thematische Enge. Um bei „All Is Lost“ zu bleiben: Den Film haben wir vergangenes Jahr schon einmal gesehen, nur saß ein Tiger im Rettungsboot. Und Tom Hanks als „Captain Phillips“ gerät ebenfalls in Seenot. Wenn auch aus anderen Gründen. Und in „Gravity“ passiert Sandra Bullock das Gleiche, nur eben im Weltall. Dazu kommt noch, dass alle, die wegen Clooney gekommen sind, sich furchtbar ärgern: Zuerst sieht man ihn unter dem Weltraumhelm nicht ordentlich, dann stirbt er viel zu früh.

Damit nicht genug: „Twelve Years a Slave“ bringt uns nur ein Jahr nach „Django Unchained“ und „Lincoln“ die Sklaverei zurück auf die Leinwand. Als Person verkörpert Meryl Streep dieses Déjà-vu-Feeling: Sie wurde zum 18. Mal für den wichtigsten Filmpreis nominiert. Dreimal hat sie ihn tatsächlich gewonnen. Was die Quote angeht, sollte sie sich einmal Tipps von Christoph Waltz geben lassen.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2014)

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