"Hateful nine"

"Hateful nine" oder: Warum der nächste Tarantino ein Whistelblowerwestern wird.

Schon verblüffend, was so alles ans Licht kommt. Es wird in die Pfeife geblasen, dass nicht nur besonders empfindliche Hundeohren reagieren. Nichts ist mehr sicher: Depeschen, Daten, Drehbücher. Wobei sich an dieser Stelle für viele Whistelblowaffine der Spaß aufhört: Botschaftsdepeschen veröffentlichen? O. k.! Die NSA bloßstellen? Meinetwegen. Aber einen Tarantino-Film verhindern? Diesmal haben die Enthüller endgültig eine rote Linie überschritten.

Für Tarantino (der sich über den Geheimnisverrat so erregt, dass er seinen Film, sollte er doch noch irgendwann erscheinen, wohl in „Hateful nine“ umbenennen müsste) könnte sich eine neue Form von künstlerischem Schaffen ohne teure Dreharbeiten herauskristallisieren: Drehbuch schreiben und online raustropfen lassen. Die Resonanz ist trotzdem riesengroß. Nur Christoph Waltz müsste sich nach einem neuen Job umschauen.

Eine Frau in einem Tarantino-Film könnte sehr gut Amanda Knox heißen. Und bei näherer Betrachtung passt sonst auch eine Menge ins bewährte Strickmuster des Regisseurs. Alles Italoamerikanische kommt immer gut, die Variante mit der US-Austauschstudentin in der italienischen Kleinstadt ist neu und originell. Nur mit einem einzigen Mord – und sei er noch so grauslich und erotisch aufgeladen – würde Tarantino wohl kaum das Auslangen finden. Das Ende würde dafür wieder stimmen: Die bösen Buben müssen ins Gefängnis, das Mädchen gewinnt und lebt in Freiheit weiter.

Welches Mädchen (die Geliebte oder die Ex) im Duell um den französischen Staatspräsidenten in Frankreich gewonnen hat, wird sich erst mit der Zeit herausstellen. Unabhängig davon darf sich die Schauspielerin jedenfalls über eine Nominierung für den französischen Filmpreis Cesar freuen. Ob diese trotz oder wegen ihrer Liaison erfolgt ist, lässt sich schwer sagen. Der Inhalt des mehrfach nominierten Films liest sich jedenfalls kurios: In „Quai d'Orsay“ spielt Julie Gayet eine Mitarbeiterin im Außenministerium, die versucht, sich mit Verführungskünsten durchzusetzen. Dafür könnte es den Preis für die beste weibliche Nebenrolle geben. Nach der Trennung des Präsidenten von seiner bisherigen Lebensgefährtin dürfte sie im richtigen Leben allerdings ins Hauptrollenfach wechseln.

Aber man weiß ja nicht, was noch alles ans Licht kommt. Fragen Sie Quentin.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2014)

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