Fußball-Splatter

Fußball-Splatter oder: Warum wir zarte Schulterbisse brutalen Fouls dann doch vorziehen würden.

Also ganz unter uns: Das Q hat schon ein Riesenproblem. Also der Buchstabe. Schon ganz grundsätzlich, weil er immer das u braucht, was man eigentlich nicht recht versteht. Weil Q ohne u wäre doch auch eine glasklare Sache, oder? Und im Speziellen sieht man jetzt auch bei der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien wieder, dass es mit dem Q überhaupt nicht zum Besten steht. Gäbe es Q-Aktien, wir müssten ganz entschieden davon abraten, welche zu kaufen. Weswegen? Wir sagen nur Uruguay. Wenn sich nicht einmal Uruguay Uruquai schreibt, was sich wirklich anböte: Ja, wer denn bitte dann?

Als Wiener fragt man sich überhaupt, ob das früher einmal nur Uguay geheißen hat und dann einmal irgendjemand voller Begeisterung gerufen hat, das ist ja „Ur-Uguay“, was sich dann durchgesetzt hat. Egal. Für das Q mit oder ohne u schaut es jedenfalls ganz schrecklich traurig aus.

Genauso wie für den Herrn Suárez. Der Nationalspieler aus Uruguay hat ja im Spiel gegen Italien Giorgio Chiellini (ja, wenn man so heißt, ist vieles leichter) in die Schulter gebissen. Was einen großen Aufschrei und eine lange Sperre zur Folge hatte.

Wir verstehen allerdings die Aufregung nicht wirklich. Da krachen während der WM reihenweise Schädel mit voller Wucht zusammen, Spieler rammen ihren Gegnern ihre Ellbogen ins Gesicht, bohren ihre Stoppelsohlen in nackte Knie, zertrümmern mit Checks Augenhöhlen, Knochen splittern, Bänder reißen, Blut spritzt pulsierend aus Zentimeter tiefen Cuts, reihenweise liegen die Bewusstlosen auf dem Feld herum. Fußball-Splatter pur.

Doch da schaut kaum jemand hin. Man spuckt beherzt aus, greift zur Wasserflasche, feilt mit dem Trainer an der Taktik, zieht gelangweilt die Socken nach oben und beobachtet aus dem Augenwinkel, wie der schwer verletzte Kollege vom Feld gebracht wird. Zu Hause macht man eine Toilettenpause. Alles keine große Sache.

Wenn aber der Herr Suárez, der so einen starken Vorbiss hat, dass er schon zubeißt, wenn er nur den Mund öffnet, einem italienischen Verteidiger auf die Schulter fällt und der dann einen winzigen roten Abdruck zeigen kann (jeder Knutschfleck ist ärger), dann gerät die ganze Welt in Aufregung?

Wir wundern uns schon ein bisserl. Das Q ist da übrigens ganz unserer Meinung.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2014)

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