Unterirdisch türkis

Unterirdisch türkis oder: Warum ein Schatzkanzler einem Finanzminister jedenfalls vorzuziehen ist.

Eine Woche der Entscheidungen liegt hinter uns. Zunächst die allerwichtigste: Die neue Wiener U-Bahnlinie U5, die bereits im Jahr 2023 ihren Vollbetrieb aufnehmen soll, hat eine Streckennetzfarbe bekommen. In einem Bürgerbeteiligungsverfahren durften sich die Befragten via Internet zwischen Rosa und Türkis entscheiden. Und – tatarata – Türkis ist es mit großer Mehrheit geworden.

Studiert man den künftigen U-Bahn-Plan, schlägt sich das Türkis vor allem am Knoten Karlsplatz ganz schrecklich mit dem U4(Rapid)-Grün, beim Rathaus mit dem U2-Lila und beim AKH mit dem U6-Braun.

Überhaupt ist Türkis gar keine gute Idee. Es schmutzt leicht (man kann sich ungefähr vorstellen, wie die Hinweisschilder nach kurzer Zeit ausschauen), ist zu modisch (ungefähr so wie das Pink der noch so jungen Neos, das uns jetzt schon auf die Nerven geht) und vor allem eine dieser Bankräuberfarben. So muss das Fluchtfahrzeug beim Überfall sein, dann werden die einen Zeugen sagen, es war ganz sicher blau, die anderen werden auf Grün schwören, die dritten sich nur mehr an irgendetwas Pastelliges erinnern. Und der Bankräuber läuft am Ende immer noch frei herum.

Die Entscheidung für Reinhold Mitterlehner als neuen ÖVP-Capo wurde dafür deutlich weniger lang vorbereitet. Am Vormittag waren noch alle überrascht von Michael Spindeleggers Rücktritt, am Abend schon vom Nachfolger überzeugt. So schnell kann es gehen. Was die Schlagzeilentauglichkeit angeht, bietet Mitterlehner nur wenig Vorteile gegenüber Spindelegger. Beide Namen haben zwölf Buchstaben, das M in Mitterlehner ist aber besonders breit. Bringen Sie das einmal in einer Titelzeile eines Artikels unter! Kurz und Klug nach Faymann und Spindelegger wäre einmal etwas an der Regierungsspitze gewesen. Aber wer denkt schon an uns Zeitungsleute?

Da gäbe es übrigens noch einen Vorschlag zur Vereinfachung: Könnte man sich auf das angelsächsisch inspirierte glamouröse „Schatzkanzler“ statt des spröden „Finanzministers“ einigen, wäre künftig ein knackiges Vize- und Schatzkanzler als Funktionsbezeichnung möglich. Geht sich auch unter einspaltigen Bildern locker aus.

Und wenn amMontag in Wien wieder die Schule beginnt:

Aufpassen, das Türkise fährt noch nicht!

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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