Zellwegers zweites Gesicht

Zellwegers zweites Gesicht oder: Warum Renée uns unser Bridget-Märchen kaputt gemacht hat.

Wir brauchen ja gar nicht lange herumzutun am Ende dieser Woche. Renée Zellweger. Was bitte sonst? Die Bridget-Jones-Darstellerin schaut also plötzlich völlig anders aus, hat eine Art zweites Gesicht. Ohne wahrsagen zu können freilich.

Es gibt zwei Gründe, warum diese schönheitschirurgische Maßnahme uns mehr beschäftigt als andere. Zum einen, weil wir nicht genau wissen, was Zellweger da eigentlich an ihrem Gesicht verändert hat. Bei den bisher weltweit führenden Gesichtsveränderern (Mag Ryan, Mickey Rourke, Nicole Kidman, Silvester Stallone und Melanie Griffith) war immer ziemlich klar, was genau passiert ist: zu viel Botox hier, zu stark gestrafft dort, ein bisserl zu viel Nase abgehobelt da, eine Idee zu hohe Backenknochen dort.

Doch bei Renée Zellweger sind wir ratlos: Mit sehr viel Fantasie können wir sie noch als sie identifizieren, was da genau passiert sein könnte, entzieht sich aber unserer Vorstellungskraft. Michael Jackson hat sich über die Jahre auch bis zur Unkenntlichkeit verändert. Aber eben schrittweise.

Zum anderen und viel wichtiger: Renée Zellweger ist ja nicht irgendjemand, sondern als Darstellerin der Bridget Jones so etwas wie die Schutzheilige und Trösterin all jener, die sich immer eine Spur zu hässlich, zu dick, zu wenig geliebt, zu unerfolgreich, zu untalentiert, zu unvollkommen, kurz: zu kurz gekommen gefühlt haben. Also von ohnehin so ziemlich allen.

Nun hat aber diese Figur, der nicht nur Hugh Grant gern die viel zu große Stützunterhose ausgezogen hätte, es geschafft, genau diese Unperfektheit liebens- und begehrenswert zu machen. Als Zuschauerin wollte man plötzlich nicht mehr die öde Blondine sein, sondern die lebendige Bridget, und als Mann nicht der glatte Hugh Grant, sondern der spröde, unbeholfene Colin Firth.

Das Perfide an dieser Illusion war übrigens, dass die echte Renée Zellweger nie auch nur ein Gramm Fett zu viel hatte und gar kein bisschen bridgetig war, genauso wenig wie Colin Firth mauerblümelig ist.

Das alles ist aber egal. Mit der Radikal-OP hat die Schauspielerin Zellweger die Märchenfigur Bridget Jones kaputt gemacht. Die unterschwellige Botschaft: Wer so ausschaut, kann nicht glücklich werden.

Hoffentlich ist sie es wenigstens jetzt.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2014)

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