Die Bärlauchreform

Die Bärlauchreform oder: Warum wir mehr lesen und weniger Blumen schenken werden.

Auf die Frage nach dem Frühlingsbeginn gibt es viele Antworten: meteorologische, astronomische, pragmatische, realistische, ornithologische, dusk- und dawnige, auf Erfahrungswerten beruhende, dazu noch alle möglichen. Am zuverlässigsten ist aber eine gastronomische: Frühling ist dann da, wenn wieder alles nach Bärlauch schmeckt. Nockerl, Suppe, Püree, Salat, Knödel, Sauce. Ob es passt oder nicht, ob man will oder nicht. Dazu gibt es freilich auch die ziemlich einleuchtende These, dass kein Mensch freiwillig Bärlauch essen würde, wenn der erst im Juni oder Juli so weit wäre. Der Bärlauch profitiert also vor allem von der Konkurrenzsituation.

So ist es auch mit der Steuerreform. Man nimmt sie, weil keine Alternative angeboten wird. Neuwahlen zum Beispiel. Sie schmeckt im Nachgeschmack irgendwie auch bitter, ist aber immerhin frisch und einmal etwas anderes, nach den vielen Monaten mit eingelagerten Kartoffeln, Kraut und Glashaussalaten. Seit wir auf unseren ökologischen Fußabdruck achten, wollen wir uns ja nur mehr an dem gütlich tun, was uns die Heimat in der jeweiligen Saison gerade anbietet. Flugmango pfui. Auch wenn die in Zypern schon längst Heurige essen.

Bärlauch ist nun einmal kein Spargel, eine Steuerreform kein Ponyhof, und wer die Hitze nicht aushält, soll halt verschwinden aus der Lohnnebenkostengarküche. Oder so ähnlich. Deshalb freuen wir uns, dass die Steuerreformdebatte endlich erledigt ist. In Kraft tritt das Ganze eh erst nächstes Jahr. Jetzt fehlen nur noch die Sommerreifen, der Ostersonntag, und alles ist wieder gut.

Wir leidenschaftlichen Kinogänger werden allerdings einen Großteil unserer Steuerentlastung wegen der gleichzeitigen Mehrwertsteuererhöhung gleich wieder an die Kino-(hoffentlich Registrier-)Kassen tragen. Andererseits ist das Buch ohnehin immer besser als der Film: Und die Mehrwertsteuer bei Büchern bleibt ja unangetastet.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Schnittblumen wiederum könnte einen positiven Effekt haben: Blumen steigen dadurch in ihrem Geschenkprestige. Da kann man sich künftig fast schon den Weg zum Juwelier ersparen. Der hat nach 18 Uhr eh nie offen. Die Mehrwertsteuer auf Bärlauch wurde übrigens nicht erhöht. Außer man verwendet ihn als Tierfutter. Und jetzt her mit dem Frühling.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2015)

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