Ein Trainer im Biene-Maja-Trainer

Ein Trainer im Biene-Maja-Trainer oder: Warum Trainingsanzug manchmal Designeranzug schlägt.

Selbst wenn man mit Geschlechterklischees nur ganz ungern operiert, lässt sich eines doch immer noch relativ gefahrlos sagen: Der Stempel „Frauenschwarm“ wird den verschiedensten Berufsgruppen zugeschrieben (Ärzten, Schauspielern, Rockstars, Opernsängern, Nobelpreisträgern, Handwerkern, George Clooney etc.), so gut wie nie aber Fußballtrainern.

Umso erstaunlicher war es dann, dass diese Woche plötzliche viele Frauen (auch solche, die sich für Fußball an sich überhaupt nicht interessieren) mit echten Tränen in den Augen und feuchten Taschentüchern in den Händen die Rücktrittspressekonferenz eines deutschen Coaches aus dem Ruhrpott live verfolgt haben. Der langjährige Trainer des deutschen Bundesligisten Borussia Dortmund, Jürgen Klopp, hat dieses Kunststück zuwege gebracht. Das ist umso erstaunlicher, als Klopp in Sachen Stil so ziemlich jedes Verbot missachtet, das in einschlägigen Druckerzeugnissen als No-go so erlassen wird.

Anders als sein eleganter, immer wie aus dem Ei geschälter Widerpart, der einem italienischen Modemagazin entsprungen zu sein scheint, nämlich Bayern-München-Coach Pep Guardiola, schenkt sich Klopp outfitmäßig aber so etwas von überhaupt nichts. Öffentliche Auftritte absolviert Klopp stets nur im viel zu weiten, aus einem glänzenden Ballonstoff geschneiderten Trainingsanzug mit dazu passender BVB-Baseballkappe. Was schon grundsätzlich problematisch genug ist, mit knapp 50 Jahren und den Biene-Maja-Farben von Dortmund aber als weit jenseits von mutig einzuordnen ist.

Dazu eine haartransplantierte Achtzigerjahre-Frisur, einen wilden Acht-Tage-Bart und Zähne, von denen man gar nicht genauer wissen will, woher sie stammen, die jedenfalls gern ausgiebig gebleckt werden, das Unterkiefer dabei weit vorgeschoben.

Nicht einmal, dass er für Opel wirbt (der vorhersehbare Guardiola natürlich für Audi), kann seiner Anziehungskraft etwas anhaben. Das hat viel mit Kraft, Schmäh, Intelligenz und Authentizität zu tun (eine ähnliche Wirkung auf die Zuschauerinnen hatte übrigens „Voice of Germany“-Juror Ray Garvey).

Im Nachhinein ist jedenfalls plötzlich klar geworden, warum Fußballübertragungen geduldet worden sind, solange nur Dortmund mitgespielt hat.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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