Plötzlich Tullner

Plötzlich Tullner oder: Warum sich der Spaß aufhört, wenn es um das Autokennzeichen geht.

Es gibt ja da seit Jahren so eine Kategorie Hollywood-Blockbuster (also gut, vielleicht nicht gleich Blockbuster, aber Filme halt), die nach dem Prinzip „Plötzlich . . .“ funktionieren. Abwechselnd ist der Hauptdarsteller von einem Schlag auf den anderen statt dreizehn vierzig oder umgekehrt, Prinzessin, ein Geist oder geschrumpft, im Mittelalter aufgewacht oder im Körper des jeweils anderen Geschlechts. Nun hat es dem Landeshauptmann von Niederösterreich gefallen, im Zeichen einer Verwaltungsvereinfachung (was ja immer zu begrüßen ist) den wenig glamourösen Kunstbezirk „Wien-Umgebung“ aufzulösen und die übrig bleibenden Trümmer dem jeweils nächststehenden Bezirk einzuverleiben. Was nun den Blockbuster mit dem Titel „Plötzlich Tullner“ rechtfertigen würde.

Warum diese „Verwaltungsvereinfachung“ dennoch für Irritationen sorgt? Die meisten Menschen sind in den Wiener Speckgürtel gezogen, um Wien nahe zu sein, nicht um von Wien nach Niederösterreich zu übersiedeln. Viele pendeln täglich nach Wien, um dort zu arbeiten, gehen dort ins Theater, Kino, Restaurant und hoffen, dass endlich die U-Bahn verlängert wird. Nach Wien, nicht nach Tulln. Wie fließend diese Grenze ist, zeigt auch, dass Teile des nun Tulln zugeschlagenen Gebiets lange Zeit zu Wien gehört haben. „Wien-Umgebung“ trifft das Lebensgefühl der dort Ansässigen also ziemlich genau. Tulln zum Beispiel eher nicht.

Wobei es in Österreich immer erst dann so richtig heikel wird, wenn es um Autokennzeichen geht. Die Älteren erinnern sich noch an die epische Schlacht zwischen einem Verkehrsminister und späteren Bundespräsidenschaftskandidaten und dem Müllverbrennungsanlagenmalerfürsten, dessen Vater dem Lateinwörterbuch seinen Namen gegeben hat, um neue Kennzeichen für das Land. Weiß auf Schwarz gegen Schwarz auf Weiß lautete damals das Match. Verloren haben der Maler und die typisch österreichischen Kennzeichen, gewonnen die gemainstreamte EU-Nummerntafel. Beschwichtigen konnte man viele nur mit einem Wunschkennzeichen.

2017 geht es also den Speckgürtlern ans WU. Sie werden es auch überleben. Im Stau auf der Nordbrücke und auf der Südosttangente wird es jede Menge Tullner geben. Bei den „Plötzlich ...“-Blockbustern ist am Ende der Spuk übrigens wieder vorbei. Wir hoffen noch.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2015)

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