Am grünen Tisch

Am grünen Tisch oder: Warum wir zwar keinen Richter, dafür aber dringend einen Schiedsrichter brauchen werden.

Einen Richter will man in Österreich bekanntlich nicht so gern brauchen müssen. Gegen einen Schiedsrichter hat dagegen niemand etwas einzuwenden. An ihn kann man die Verantwortung abgeben, ihm bei Bedarf die Schuld zuzuschieben oder ihn, wenn man sein Mütchen kühlen will, sogar lautstark bedrohen (mit dem Wissen, wo der Unparteiische parkt zum Beispiel). Bei der Europameisterschaft werden wieder viele Legenden gezimmert werden, aus nicht gegebenen Elfmetern, schon gepfiffenem Abseits und vermeintlichen oder tatsächlichen Schwalben. Diese Legenden ändern zwar letztlich am Ergebnis wenig, können aber immerhin helfen, besser mit der eigenen Niederlage zurechtzukommen.

In der Innenpolitik ist der nicht gegebene Elfer derzeit der bereits geöffnete Briefwahlbrief (oder wie immer das auch richtig heißen mag). Mit der Wahlanfechtung der Bundespräsidentenwahl versucht ein Blauer am grünen Tisch, doch noch die rot-weiß-rote Schärpe zu ergattern. Wobei es schon verwunderlich ist, mit welcher Nonchalance hierzulande flächendeckend das Wahlgesetz gebrochen wird. Wenn das wirklich stimmt, werden bei den nächsten Wahlen Beobachter von internationalen Organisationen den Auszählern genauer auf die Finger schauen müssen. Bis dahin werden wir jedenfalls einen Höchstrichter als Schiedsrichter brauchen.

Im Duell der Kulturnationen hat die Eröffnungsfeier der Europameisterschaft am Freitagabend gezeigt, dass man Österreich oft unrecht tut. Hierzulande reicht das Repertoire bei Fußballveranstaltungen ja selten über „Radetzkymarsch“, „I am from Austria“ und „Live is Life“ hinaus. Was die Atmosphäre bei Länderspielen gefährlich nahe an den Musikantenstadl rückt. Und die Grande Nation? Cancan, Édith Piaf und – Gott sei's geklagt – David Guetta hat man vor den Augen der Welt aufgeboten, um sich vorzustellen. Dann aber ollawei Reinhard Fendrich. Dass nicht nur David Guettas Musik zum Lachen ist, sondern der DJ auch noch ausschaut wie Otto Waalkes, ist sogar dem deutschen Komiker aufgefallen. Er habe für Guetta die EM eröffnet, dafür übernehme dieser die Otto-Tournee, twitterte Waalkes.

Die Eröffnung ist ja überstanden, der Ball rollt, es wird gespielt. Und wenn einem das Ergebnis am Ende nicht passt, kann man es ja immer noch anfechten.

florian.asamer@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 12.06.2016)

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