Wiener Luft statt Air Berlin

Wiener Luft statt Air Berlin oder: Warum wir ein schlechtes Gewissen haben, wenn Firmen zusperren müssen.

Wenn Firmen in Schwierigkeiten geraten, die uns sympathisch sind, kommt zuerst das schlechte Gewissen. Wären wir doch öfter in das kleine Programmkino am Eck gegangen statt in das Multiplex mit den großen Popkornkübeln und den Käsenachos, sagen wir, wenn wir vom nächsten Opfer des Kinosterbens lesen. Hätten wir doch wieder einmal im Café Griensteidl (noch besteht ja Hoffnung!) vorbeigeschaut, statt nur wieder im Vorbeigehen irgendwo einen Coffee to go zu trinken. Warum haben wir schon so lang keine Schwedenbomben mehr gekauft?, hieß es vor ein paar Jahren, als man kurz glauben musste, es sei Schluss mit dem schaumigen Süßwarenklassiker. Nur diesmal sind wir uns keiner Schuld bewusst: Dass die Air Berlin in Schwierigkeiten steckt, kann aber wirklich nicht an uns liegen. Egal, mit wem man spricht, jeder fliegt seit Jahren nur noch mit der Billigfluglinie, deren Namen Lebensgefühlprogramm ist. Sollte das angekündigte Sparprogramm allzu schlimm werden und Air Berlin nur noch von München nach Berlin und zurück fliegen, böte sich die Gründung einer Linie namens Wiener Luft an. Wien gilt ohnedies als neues Berlin (also zumindest reden wir uns das und einer Handvoll Berlinmüder seit einiger Zeit mittelerfolgreich ein), vielleicht könnte man da ja von einer frei werdenden Nische profitieren.

Apropos fliegen: Am Freitag endete die erfolgreiche europäische Raummission mit dem missglückten Namen Rosetta. Die Raumsonde kollidierte geplant mit dem Kometen, den sie seit ein paar Jahren so neugierig umkreist hatte. Das Dumme an diesen All-Abenteuern ist nur: Im Vergleich zu dem, was in Science-Fiction-Filmen gang und gäbe ist, hinken sie immer um Jahrzehnte hinterher. Kommt man aus dem Multiplex (mind the Kinosterben!), wo man etwa den Film „Der Marsianer“ gesehen hat, in dem Matt Damon von seinem Raumschiff irrtümlich auf dem Mars vergessen wird, trainiert man im echten Leben gerade einmal für eine erste Mars-Mission, die frühestens in den 2030er-Jahren starten könnte. Und wenn das endlich so weit sein wird, waren wir im Kino sicher längst auf der Sonne. Samt den Käsenachos.

Den Sonntag verbringen wir jedenfalls mit richtig gutem Gewissen: im Mini-Kino, in einem richtigen Kaffeehaus oder eben im Flugzeug. In einem billigen . . .

florian.asamer@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 02.10.2016)

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