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Ketschup mit scharfem s

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Ketschup mit scharfem s oder: Warum das richtige Schreiben zu den aussterbenden Kulturtechniken zählt.

Was waren das jedes Mal für Aufregungen! Als 1996 die Rechtschreibreform und danach ihre Nachbesserungen 2004 und 2006 in Kraft traten, war jedes Mal der Teufel los. Dreifachkonsonanten, entstellte Fremdwörter, willkürliche Groß- und Kleinschreibung, Scharfes-s-Unklarheiten bewegten Bevölkerung, Lehrende, Schreibende und Medien gleichermaßen. Als nun Ende der Woche der Rechtschreibrat das Ende für Majonäse und Ketschup (liest sich, wie es schmeckt) bekannt gegeben hat (wir tunken künftig wieder in Ketchup und Mayonnaise), war der Aufschrei überschaubar. Um es vorsichtig zu formulieren.

Es erhärtetet sich der Eindruck, dass Rechtschreibung zu jenen Kulturtechniken zählt (wie Handschrift, das Alphabet als Ordnungseinheit zur Systematisierung, Archivierung und Suche etwa in Lexika, Telefonbüchern, Zettelkästen, Wörterbüchern und das schriftliche Kommunizieren in vollständigen Sätzen), denen bis vor Kurzem in der Bildung noch ganze Aufmerksamkeit galt, die aber nun rasant an Bedeutung verloren haben. Was wir weder beklagen noch begrüßen, sondern nur als Tatsache feststellen.

Im Übrigen darf als einziges Nahrungsmittel die beliebteste Nudel, die Spagetti, eingedeutscht ihren Platz im Deutschen Wörterverzeichnis behalten, neben dem italienischen Original, „Spaghetti“, allerdings. Man wird noch sehen, welche Schreibweise sich letztlich durchsetzt. Um das Nudelgericht wird man sich allerdings in keiner der Zubereitungsformen Sorgen machen müssen.

Auch die an sich spektakuläre Tatsache, dass die deutsche Sprache seit Donnerstag immerhin einen neuen Buchstaben (ein großes scharfes S) hat, wurde relativ kühl zur Kenntnis genommen. Dabei ist das große scharfe S vor allem jenen, die ein ß im Nachnamen tragen, schon lang ein verständliches Anliegen gewesen, wurde doch ihr Name in Großbuchstaben immer entstellt. Es lässt sich ohne großes Risiko die Prognose wagen, es wird dem scharfen s, noch bevor alle Schriften und Fonds den neuen Großbuchstaben übernommen haben, nach und nach an den Kragen gehen. Zu artfremd ist es unter den international geläufigen Zeichen. Apropos Kulturtechnik: Aufgeregt wird sich wieder, wenn die neuen Emojis kommen.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2017)

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