Walk of Häme

Putschdämon

Putschdämon oder: Über EU-Bussis und Annäherungsgespräche in Barcelona, Wien und Brüssel.

Was täten wir Bürgerinnen und Bürger (Wählerinnen und Wähler sind wir, nachdem wir unsere Stimme gerade für die nächsten fünf Jahre abgegeben haben, momentan ja keine mehr) nur ohne politische Wortneuschöpfungen? Nachdem monatelang nicht regiert, sondern gewartet wurde, dass es endlich Mitte Oktober wird, lassen sich die Herrschaften (ja, Frauen sind keine dabei) nun noch ein bisserl bitten, bevor sie überhaupt geruhen, sich zusammenzusetzen, um einmal darüber zu reden, wie es nun weitergeht. Es war zwar Zeit, aber es eilt ja nicht.

Das Wort zur Stunde ist also Annäherungsgespräche. Um das zu verstehen, muss man kurz ins vergangene Jahrtausend zurückgehen, damals bestand nach der Wahl 1999 eine ähnlich verfahrene Situation. Da niemand Koalitionsgespräche führen wollte/konnte/durfte, wurden von Bundespräsident Thomas Klestil die Sondierungsgespräche erfunden. Der Ausgang darf als bekannt vorausgesetzt werden. Diesmal sollen die wechselseitig Angepatzten also in „Annäherungsgesprächen“ wieder eine Gesprächsbasis finden, bevor sie überhaupt „richtig“ miteinander verhandeln. Nun ja.

Immerhin will sich in Österreich noch kein Bundesland vom Zentralstaat lossagen. Aber wenn man sich die Lage in Spanien anschaut, könnten die Kontrahenten vielleicht unser nagelneues und doch so altes Modell von Annäherungsgesprächen dringend gebrauchen. Während Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy nie so dreinschaut, als hätte er die Freude im Namen, hat sein katalanischer Gegner Carles Puigdemont ein Imageproblem, wenn man seinen Nachnamen mit deutschsprachigen Ohren hört: Putschdämon. Das trifft wohl ziemlich genau die Madrider Sicht auf die Dinge in Barcelona und Umgebung.

In Brüssel hat Wahlsieger Sebastian Kurz eine herzliche Begegnung mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gut hinter sich gebracht. Während Kurz artig die Hand gab, küsste Juncker Kurz zur Begrüßung auf die Wange, was Kurz sichtlich unangenehm war. Auch da wieder ein kurzer Sprung ins vergangene Jahrtausend: Damals schaute Staatssekretärin Brigitte Ederer ähnlich angestrengt, als sie von Außenminister Alois Mock das berühmte EU-Bussi zur Feier des Beitritts bekam. Doch das ist lange her, uns bleibt nur, geduldig auf Annäherungen zu hoffen.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.