Walk of Häme

Übernächtig oder

Warum es noch knirscht und nun endlich um das wichtigste Amt im Staat geht.

Eineinhalb Stunden duschen wollte einer der Berliner Koalitionsverhandler nach einer durchgemachten Nacht ohne greifbares Ergebnis. Schon zu Mittag, am Freitag war es, wollte man wieder zusammenkommen, um weiter an einem Bündnis zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen zu verhandeln.

Die Art Unausgeschlafenheit, die man als übernächtig bezeichnet, bewirkt einen ganz besonderen, nicht zu unterschätzenden Energielevel. Man ist seltsam durchlässig, die Sinne sind geschärft und eine gewisse Leichtigkeit (das genaue Gegenteil von Bettschwere) bemächtigt sich der Unausgeschlafenen. Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Frösteln sorgen dafür, dass man nicht unaufmerksam wird. Eigentlich nicht die schlechtesten Voraussetzungen für Verhandlungen.

In Österreich wird es nun auch ernst: Da wir einen neuen Bundespräsidenten und wohl bald auch (schon wieder!) einen neuen Bundeskanzler haben, wird endlich das Rennen um den einzigen wirklich mächtigen Posten in der heimischen Politik eröffnet: den des Wiener Bürgermeisters.

Nachdem sich Michael Häupl als etwas zäh im Abgang erwiesen hat, stehen nun zumindest zwei Kandidaten für seine Nachfolge zur Wahl, die beide auf den ersten Blick nicht unbedingt das Format haben, um die doch beträchtlichen Fußstapfen auszufüllen. Allerdings: Wer hätte schon gedacht, dass Michael Häupl nach dem so charismatischen Helmut Zilk zum lang unangefochtenen Bürgermeister der Wiener werden würde?

Wie Position und Ausstrahlung zusammenhängen, kann man übrigens gerade am Beispiel Christian Kern studieren. Vom Bahn-manager zum Oppositionschef über den Umweg Kanzleramt ist doch ein ziemlich heißer Ritt. Kein Wunder, dass es da (noch?) beträchtlich knirscht. Es wäre übrigens immer noch nicht zu spät, einmal ein wenig Verantwortung für die Wahlniederlage zu übernehmen.

Die Koalitionsverhandlungen in Wien könnten ein bisschen Schlafmangel dringend brauchen. Ausgeschlafen fällt den Schwarz-Blauen nämlich außer Sicherheit, eins, zwei, Polizei und Mindestmindestsicherung gar nichts ein. Ein Bildungskonzept wäre zum Beispiel etwas Feines.

Ein Tipp für die nächste Runde: lang aufbleiben, kurz schlafen, lang duschen.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2017)

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