Hier geht es um die Wurst

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Die Österreicher haben einen besonderen Bezug zur Wurst. Das wurde auch bei der Wurst-WM deutlich, bei der heimische Fleischer gut abgeschnitten haben.

War da was? Gesünder leben, mehr Obst und Gemüse, am besten vegetarisch oder zumindest weniger Fleisch, man muss ja nicht gleich ganz darauf verzichten, aber ein bisschen eindämmen könnte man den Fleischkonsum eigentlich schon. „Ja, eh“, denkt man – und spricht dabei jene Worte an der Wursttheke aus, die zumindest ein bisschen glücklich machen: „Zwanzig Deka Extra, bitte.“ Denn die lassen sich die Österreicher nicht nehmen. Die Extrawurst ist und bleibt hierzulande die beliebteste Wurst. Für viele ist sie gar der Inbegriff der Wurst an sich. Auch wenn manche Gourmets angesichts der rosa indifferenten Masse die Nase rümpfen, hat die Extra etwas, was ihr keiner nehmen kann und was uns stets an sie binden wird: die Kindheitserinnerung. Da kann höchstens noch ihre kleinere Schwester, die Knackwurst, mithalten.


Mindestens 600 Wurstsorten. Darüber sind sich auch jene Damen und Herren einig, die mit Extrawurst, Schinken, Krakauer oder Wiener ihren Lebensunterhalt verdienen. „Die Extrawurst“ antworten sie, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, auf die Frage nach der beliebtesten Wurst. Dabei gäbe die Wurstvitrine eigentlich wesentlich mehr her. „Es gibt mindestens 600 Wurstsorten und dann noch zahlreiche Variationen“, sagt Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundesinnung Lebensmittelgewerbe der Wirtschaftskammer Österreich. Ein Teil davon wird alle zwei Jahre beim Internationalen Fleisch- und Wurstwettbewerb, sozusagen der Wurst-WM, verkostet. Heuer war es im Sommer in Wels wieder so weit. Vergangenen Donnerstag wurden 20 heimische Fleischer ausgezeichnet, die bei der 19. Wurst-WM einen Sieg in den Kategorien Fleisch & Wurst, Convenience oder Platten erzielen konnten.

Dass die Österreicher eine besondere Affinität zu Fleischwaren haben, wird allein bei näherer Betrachtung der Wurst-WM deutlich. Die wird nämlich von den Österreichern organisiert. Unter den Teilnehmern finden sich, neben Österreich, sechs weitere Länder – „aus vier Kontinenten“, wie Kainz gern betont –, die da wären: Deutschland, die Schweiz, Tschechien, die USA, Indien und Neuseeland. Und: Die Jury – zehn Personen aus den Bereichen Wissenschaft, Behörden und Fleischer, neun davon aus Österreich, einer aus Deutschland – hat so gut wie ausschließlich heimische Produkte zu den Siegern gewählt. Unter den insgesamt 20 Gewinnern in den drei Kategorien findet sich lediglich ein deutscher Betrieb. Immerhin war der Österreich-Anteil unter den 1300 Produkten auch recht hoch.

Für Rainhard Kainz ist das allerdings eher ein Beweis für die hohe Qualität der heimischen Würste. „Weltweit sind Österreich, Deutschland und die Schweiz das Wurstzentrum. Die meisten Sorten wurzeln in diesen Ländern“, sagt er. Dank strenger Lebensmittelgesetze müsse man hierzulande keine Angst haben, was denn in der Wurst sei. Bei Schinken liegt der Fleischanteil etwa bei 95 Prozent, bei anderen Würsten um die 60 und 70 Prozent. Selbst Zusatzstoffe wie die berüchtigten E-Nummern sieht Kainz recht entspannt. „Vor E-Nummern braucht man keine Angst zu haben. Alle Zusatzstoffe, die gesetzlich zugelassen sind, sind gesundheitlich unbedenklich.“


Cremigkeit des Fettranderls. Aber auch an den Fleischern geht der Trend in Richtung Transparenz und mehr Qualität nicht spurlos vorüber. „Wir arbeiten seit einem Jahr ohne Geschmacksverstärker. Ich sag immer, es ist nicht wurscht, was in der Wurst drinnen ist“, meint etwa Fleischer Johann Feichtinger aus Schärding, der neben den Betrieben Ellegast aus Amstetten und Rewe Austria aus St. Johann im Pongau zu den drei Hauptpreisträgern zählt. Seine Kollegin Doris Steiner rät den Konsumenten, auf eine kurze Haltbarkeit zu achten, denn dann würden weniger Konservierungsstoffe eingesetzt. Vakuumiert hält eine möglichst unbehandelte Wurst maximal drei Wochen, Frischware etwa eine Woche.

Auch sonst ist man bei der Preisverleihung der Wurst-WM redlich darum bemüht, die Qualität hervorzuheben und das Produkt Wurst aufzuwerten. Ein Beispiel hat man sich dabei offenbar an den Winzern genommen. Nicht nur, dass zur Wurstverkostung eine passende Weinbegleitung kredenzt wurde, auch die Beschreibungen der einzelnen Produkte können mit jenen in der Weinwelt durchaus mithalten. So wurde etwa der Backschinken der Fleischerei Feichtinger mit den Worten präsentiert: „Ein imposantes Bratenstück. Die wunderbar ausgeprägte Kruste verbreitet einen intensiven Bratenduft. Definiert im Anbiss, schmilzt der Schinken fast im Mund. Das Wechselspiel von Kompaktheit und Cremigkeit des Fettranderls beeindruckt und hinterlässt edle Rauigkeit am Gaumen“, so Josef Schwarzböck von der privaten HTL für Lebensmitteltechnologie Hollabrunn.

Wer das für übertrieben hält, kann wohl nur ein Banause oder – schlimmer noch – Vegetarier sein. Denn was alles in so einer Wurst steckt, oder genauer gesagt dahinter, wird erst deutlich, wenn man die Fleischermeister über ihre Produkte reden hört. So ist etwa eine Wurstplatte – auch sie stand unter dem strengen Auge der Jury – nicht einfach nur eine Wurstplatte, sondern die Königsdisziplin für die Fleischer. Dabei wurden nämlich nicht nur, wie bei den anderen Kategorien, Optik, Biss und Geschmack bewertet, sondern auch „die Exaktheit der Legetechnik, die Regelmäßigkeit der Abstände und die Dekoration“, wie Fleischer Willibald Mandl erklärt. Überhaupt gibt es bei der Wurstplatte eine Reihe an Variationen, etwa die Bratenplatte, Schinkenplatte, Buffetplatte, Partyplatte, Fleisch- oder Aufschnittplatte. „Wenn ich eine Platte sehe, kann ich darin lesen, wie in einem Buch“, sagt Mandl. „Ich sehe, wie genau der Mensch ist.“

Aquaplaning auf der Zunge. Die Art und Weise, wie bei der Preisverleihung der Wurst-WM über eines der Lieblingsprodukte der Österreicher gesprochen wurde, lässt wiederum Schlüsse darauf zu, mit welchem Engagement die Fleischer und ihre Lobby dahinter sind, das Image der Wurst zu heben. Deutlich wird das etwa auch daran, dass der Oberjuror und Fleischer Wolfgang Seidl die Beschreibungen der Wurstwaren damit kommentiert, dass sie bei ihm „Aquaplaning auf der Zunge“ hervorrufen. Da kann es nach dem Fleischsommelier nicht mehr lange dauern, bis der erste Wurstsommelier auftaucht – und sich darum kümmert, dass die Extrawurst nicht nur beliebt ist, sondern auch chic.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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