Weltuntergang: Wir lassen uns nicht Maya machen

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lassen nicht Maya machen(c) EPA (ALEX CRUZ)
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Welcher Weltuntergang? Für ein Ereignis von dieser Tragweite steht der Großteil der Österreicher dem 21.12.2012 sehr gelassen gegenüber. Was uns nicht daran hindert, ihn gründlich abzukonsumieren.

Mama“, sagte mein achtjähriger Sohn vor Kurzem mit bedrücktem Gesicht. „Mama, wann ist eigentlich der 21. Dezember?“ O nein, er hat schon wieder die Nachrichten gesehen. Jetzt will er wissen, ob die Welt wirklich untergeht, ob er überleben wird und wie ich gedenke, ihn ohne Überlebenspaket vor der Apokalypse zu retten. Zeit gewinnen ist angesagt. „Warum?“, frage ich betont langsam. „Mensch, Mama, weil danach endlich die Weihnachtsferien beginnen.“

Mein Sohn kennt sich aus, als regelmäßiger Konsument täglicher Informationssendungen, wenn er auch für deren Inhalt mitunter noch zu klein ist (alias TV-Nachrichten). Mit seiner coolen Einstellung bringt er es auf den Punkt: Er lässt sich sozusagen nicht Maya machen. Auch wenn am 21. 12. 2012 eine lange Periode des Maya-Kalenders abgeschlossen wird – ein Umstand, aus dem manche auf das Ende der Welt schließen. Beziehungsweise die Kollision mit einem feindlichen Planeten vorhersagen. Oder vielleicht auch den Einschlag eines riesigen Meteoriten. Auch wenn sich die tatsächlichen Anzeichen für diese Ereignisse in Grenzen halten.

Der überwiegende Teil der Österreicher hat mit dem Weltuntergang jedenfalls nichts am Hut. Zumindest nicht ernsthaft. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GfK Austria zufolge sind 86 Prozent der Österreicher davon überzeugt, dass der 21. Dezember 2012 ein Tag wie jeder andere wird.

Sogar von den eher leicht zu beeindruckenden Amerikanern glauben nur zwei Prozent, dass der 21. 12. 2012 das Ende der Welt bringen wird, wie wir sie kennen. Und sogar die Maya haben bereits die Nase voll von dem Endzeitgerede: Sie distanzieren sich von den Prognosen und werfen der Untergangsindustrie vor, auf ihre Kosten Geld zu scheffeln.

Apokalypse erste Reihe fußfrei. Und das funktioniert offenbar ganz gut. Denn auch wenn wir nicht so recht an den Weltuntergang glauben, sind wir doch durchaus bereit, ihn abzukonsumieren. „Der Weltuntergang wird heute so behandelt, als wäre er ein Phänomen der Popkultur“, sagt der Zukunftsforscher Andreas Reiter, der auch an dem ambitionierten Endzeit-Magazin von Red Bull mitgearbeitet hat („2012 – Das vielleicht letzte Magazin der Welt“). „Es ist ein Konsum-Event, das wir erste Reihe fußfrei genießen.“

Die meisten Menschen gehen mit einer ähnlichen Einstellung an das Datum heran, mit dem sie Felix Baumgartners Stratosphärensprung betrachtet haben – als ein einziges, riesiges YouTube-Video, das die Welt ins Haus holt, die persönliche Betroffenheit aber draußen lässt. „Wir sind besser informiert denn je“, sagt Andreas Reiter. „Aber wir nehmen nichts mehr ernst.“

Früher hätten sich Weltuntergangsdrohungen daher gut als Disziplinarmaßnahme geeignet und seien vor allem von religiösen Obrigkeiten dafür ganz gerne verwendet worden. Das zieht heute allerdings nur noch bei evangelikalen Christen. Wie eine Umfrage des Public Religion Research Institute und des Religion News Service ergab, glauben 66 Prozent von ihnen an den nahenden Weltuntergang.

450 Euro pro Tag für ein Zelt. Bei den meisten anderen Menschen bringt die Apokalypse allerdings gerade noch die Kassen zum Klingeln. Und die klingeln ganz fröhlich, auch wenn das Gros der (Noch-)Weltenbürger den Weltuntergang gerade mal unter ferner liefen wahrnimmt. So sehen manche Propheten in Südfrankreich einen sicheren Zufluchtsort, und zwar am Berg Pic de Bugarach, in der Nähe der Pyrenäen. Unter der langen Bergkante liegt angeblich eine Startbahn für Außerirdische. Von da würden fremde Wesen Auserwählte mit ins All nehmen, glaubt so mancher. Daher, so berichten die Nachrichtenagenturen, sind im Ort Bugarach alle Unterkünfte ausgebucht, in der Region werden Appartements zu astronomischen Preisen angeboten: eine Vierzimmerwohnung für 1500 Euro, ein Zelt für 450 Euro. Pro Tag, versteht sich. Was aber ohnedies egal ist, schließlich ist es ja einer der letzten, an denen man Geld ausgeben kann.

Kapsel »Arche Noah«. Nicht ganz billig sind auch die Rettungskapseln „Arche Noah“, die ein Chinese entworfen hat. Die Kugeln aus Fiberglas und Stahl können angeblich selbst einer tausend Meter hohen Flutwelle standhalten, meint der Erfinder Liu Qiyuan. Jede dieser Kapseln hat schon ihren Erfinder 300.0000 Yuan (36.650 Euro) gekostet und ist mit Sauerstofftanks, Essens- und Wasservorräten ausgestattet.

Zukunftsforscher Andreas Reiter ist zwar der Meinung, dass er „nach dem 21. Dezember noch einen Job haben wird“. Er hält die theoretische Beschäftigung mit dem Weltuntergang aber durchaus für sinnvoll – und zwar vor dem Hintergrund der realen Krise, die die Welt derzeit durchlebt. Selbst der entspannte, ironische, spekulative Umgang mit dem Ende der Welt ist für ihn ein guter Weg der Angstbewältigung: „Wir haben als Gesellschaft eine Unmenge von Ängsten. Es gibt eine richtige Angstkultur“, sagt er. „Der Weltuntergang ist da auch ein Weg, um ein bisschen das Ventil aufzumachen und Dampf abzulassen.“

Die Partygeneration jedenfalls weiß schon ganz genau, wie man diesen Dampf am besten ablässt. In Russland etwa mieten sich Gruppen einen Bunker, in dem sie dann auf das Ende der Welt anstoßen, solange der mitgebrachte Wodka reicht. In Österreich trifft man sich zu „Endzeitpartys“ und „Weltuntergangsshows“. Auf Facebook haben sich bereits Gruppen wie „Weltuntergang mit anschließender Aftershowparty“ gebildet. Es gibt Lesungen, es gibt Konzerte, in erster Linie aber wird der Weltuntergang wohl vor allem von der jüngeren Generation dazu genutzt werden, um sich einen Rausch von apokalyptischen Proportionen anzutrinken. Was sich dann am 22. Dezember durchaus tatsächlich so anfühlen könnte, als wäre die Welt untergegangen.

Diskussion

Der Science Talk in der Reihe „Science goes public“ beschäftigt sich am 17. Dezember mit „Welt und Untergang: vom Mythos zur Angst“. Es diskutieren Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, der Maya-Experte Nikolai Grube und die Naturwissenschaftler Christian Köberl und Florian Freistetter. Beginn ist um 20 Uhr in der Aula der Wissenschaften, 1010 Wien, Wollzeile 27a. Der Eintritt ist frei.

Anmeldung unter www.aula-wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2012)

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