Modeschauen: Große Show in knapper Hülle

Im Modezirkus stellen Dessous- und Bademodenschauen eine eigene Disziplin dar und standen sogar am Anfang mancher Supermodellaufbahn.

Wenn es einen Menschen gibt, der in der Modebranche mit seiner – meist pointiert formulierten – Meinung nicht hinter dem Berg hält, so ist das Karl Lagerfeld, der regelmäßig mit mehr oder weniger Wortwitz in alle möglichen Richtungen austeilt. So ist es auch kein Geheimnis, dass der Pariser Maître kein besonderer Freund von Heidi „The Body“ Klum ist. „Die war nie in Paris, die kennen wir nicht“, gab er, offenbar wenig beeindruckt von der Klum’schen Entertainment-Maschine, zu Protokoll.

Diese Geringschätzung dürfte der ebenfalls nicht gerade auf den Mund gefallenen Landsfrau Lagerfelds freilich eher egal sein; immerhin schafft sie es auch ohne High-Fashion-Allüren regelmäßig in die Bestenlisten der Model-Topverdienerinnen. Und während Klum heute eher als Moderatorin und bestens bezahltes Testimonial wirkt und werkt, war sie zeit ihrer Modelkarriere in erster Linie für ein Engagement bekannt, das ihr Weltruhm eintrug: Von 1997 bis 2009 fungierte Heidi Klum nämlich als Frontfrau der sogenannten „Victoria’s Secret Angels“, also all jener Mannequins, die bei der seit 1995 stattfindenden Modeschau des US-Dessous-Labels „Victoria’s Secret“ prominent – und spärlich bekleidet – auf den Laufsteg treten. Bereits seit 1999 wird dieses Spektakel auch im Internet gestreamt, für den großen Bekanntheitsgrad aller beteiligten Damen sorgt darüber hinaus ein Sendeplatz in der Primetime des amerikanischen Fernsehens.
Nicht wenigen Feministinnen ist eine derartige Fleischbeschau naturgemäß ein noch größerer Dorn im Auge als andere Modevorführungen – sie erkennen in solchen Dessousparaden ein Beispiel für die Degradierung der Frau zum Objekt der Begierde in einer männlich dominierten Konsumkultur (eine Bloggerin nannte das „Victoria’s Secret“-Defilee sogar an fünfter Stelle in ihrer Auflistung „Why I and You Need Feminism“), gegen die es zu protestieren gelte.



Emanzipation und Prominenz.
Diese Argumentationslinie ist in einer kulturhistorisch interessierten Modegeschichtsschreibung keinesfalls zu vernachlässigen; jene Models, die ihren Auftritten bei „Victoria’s-Secret“-Defilees oder auch in der berühmten „Swimsuit Issue“ des Magazins „Sports Illustrated“ ihre Berühmtheit verdanken, werden freilich anders denken.
Mehr noch als der „Victoria’s-Angel“-Status soll nämlich die alljährlich erscheinende, ausschließlich der neuesten Bademode gewidmete Sondernummer des bekannten amerikanischen Sportmagazins eine Karriere beflügelnde Wirkung entfalten. Seit die „Swimsuit Issue“ erstmals – mit einem Model im Bikini am Cover – 1964 erschien, hat sie sich zur Cashcow des Printtitels mit weit über die Grenzen der Sportberichterstattung ausstrahlendem Attraktivitätsgrad entwickelt.

Angeblich habe diese Schützenhilfe sogar dem Bikini zu seinem Durchbruch in den USA verholfen, und ungeachtet aller feministischen Kritik könnte damit auch der Emanzipation der Frau in die Hände gespielt worden sein. Wenigstens in der Wahrnehmung des französischen Modehistorikers und Vorstandes des Musée Galliera, Olivier Saillard, der festhält: „Die Emanzipation der Bademode begleitet die Emanzipation der Frau.“ In diesem Sinne entsprach der zunächst schockierende Erfolg des knapp gehaltenen Bikinis dem Wunsch der Nachkriegs-Frauengeneration nach einem freien, selbst gewähltem Körpergefühl.

Doch zurück zu der jährlich erscheinenden „Swimsuit Issue“: Noch vor ihrem ersten Engagement bei Victoria’s Secret prangte hier Heidi Klum am Cover, der Sprung von Bademoden zu Dessous ist in diesem Zusammenhang kein allzu großer. Für die aktuelle Ausgabe wurde Kate Upton auf die Titelseite befördert – nach ersten Editorials in den vergangenen zwei Jahren wurde das amerikanische Model damit erstmals in die Poleposition gehievt.

Remmidemmi in Rimini. Während in Modelkarrieren Engagements von „Sports Illustrated“ oder „Victoria‘s Secret“ Höhepunkte hinsichtlich Medieninteresse und, damit verbunden, Marktwertsteigerung bedeuten, haben auch andere Marken die Werbewirksamkeit von großen Spektakeln mit Dessous- oder Bademodenfokus erkannt. Der französische Wäschehersteller Etam bespielt etwa regelmäßig so großartige Locations wie das Pariser Grand Palais mit einer Show, und auch der italienische Bademodenspezialist Calzedonia leistet sich eine immer aufwendigere Inszenierung seiner aktuellen Kollektion.
Erst vor Kurzem ging im italienischen Rimini, einem Ort, der gemeinhin eher nicht mit großer Mode assoziiert wird, eine pompöse „sfilata“ von Calzedonia über die Bühne. Die 3000 Gäste dürften ob des großen Aufwandes kurz gezweifelt haben, ob sie nicht kurzerhand zu einer Konkurrenzveranstaltung zum Musikfestival von San Remo verfrachtet worden waren.

Als glamouröser Stargast wurde sogar Sarah Jessica Parker eingeflogen, die an der Seite von Calzedonia-Gründer Sandro Veronesi, dem sogenannten It-Girl Poppy Delevigne und, ja, tatsächlich, Lena Gercke dem Laufstegtreiben beiwohnte. Für zusätzlichen Unterhaltungswert sorgte eine Live-Bühnenshow von Ke$ha, die dem Publikum, wie es so schön heißt, ordentlich einheizte. Dass sich auch die Models, die in knapper Hülle den Laufsteg betraten, über diese Wärmespende freuten, darf angenommen werden.  s

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Plus-size-Model
Kunst

Werbung und Kunst nehmen an Gewicht zu

Eine Modekette wirbt mit „kurvigen Bikini-Models“, junge Performerinnen vertrauen der Kraft ihrer Körper.
Reverse bis Master Cleanse

Stars und ihre Diäten

Ein Jahr PALMERS Neu: Positive Bilanz und neue Pl�ne
Österreich

Palmers plant 50 neue Shops

Palmers sorgte mit Intrigen und Chefrochaden für Schlagzeilen. Jetzt wollen drei Grazer Brüder die Wäschemarke zu alter Größe führen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.