"Jedermann": Die Designerin, die Geschichten erzählt

Designerin Nadel Faden Geschichten
Designerin Nadel Faden Geschichten(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Die in New York lebende gebürtige Serbin Olivera Gajic hat die Kostüme für den "Jedermann" in Salzburg entworfen.

Die Garderobenfrau der Buhlschaft ist heuer einigermaßen beschäftigt: Für den kurzen Auftritt der Geliebten des Jedermann braucht es zwei Kleider und mehrmaliges Umziehen. In einem luftig-leichten Blumenkleid in Rot- und Orangetönen, inspiriert von den 1920er-Jahren, radelt Brigitte Hobmeier auf die Bühne, um ihren Jedermann in Begleitung illustrer Gesellschaft abzuholen.

Zum eigentlichen Fest erscheint die Buhlschaft in einem hautfarbenen, mit glitzernden Kristallen besetzten Mieder und schwingendem roten Rock. Ein zartes, feminines Kleid, dem so gar nichts von den oft schweren, historischen Roben der Vergangenheit anhaftet. Die Frau, die das Kleid der Buhlschaft und alle anderen Kostüme für die Neuinszenierung des „Jedermann“ entworfen hat, heißt Olivera Gajic.

Viele ihrer Arbeiten erinnern an märchenhafte Wesen, Feen und Figuren aus einem Zauberreich. Zart und verletzlich ebenso wie wild und ungestüm. „Kostüme erzählen Geschichten“, sagt die Designerin. Und sie liebt es, mit Stoff, Nadel und Faden Geschichten zu erzählen. Die Möglichkeit, mit ihren Entwürfen viele Bilder im Kopf entstehen zu lassen, war es auch, warum sie sich nicht für Mode-, sondern für Kostümdesign entschieden hat. „In der Mode entwirft man schöne Kleider nur um der Schönheit willen“, sagt Gajic. „Mir liegt das Geschichtenerzählen mehr, da steckt ein intellektueller Anspruch dahinter.“

Das Theater ist ihre Welt, erzählt die junge Frau. Vor zehn Jahren hat sie nach dem Studium an der University of Fine Arts in Belgrad ihre Heimat Serbien verlassen und ist nach New York gegangen. Sie hatte das Gefühl, ihren Horizont erweitern und Erfahrung im Ausland sammeln zu müssen. Mittlerweile ist ihr New York zur neuen Heimat geworden. „Ich fühle mich wohl hier, ich möchte nicht mehr weg“, sagt die Serbin, die das erste Mal für die Salzburger Festspiele arbeitet.

Dass sie der „Jedermann“ zumindest für ein paar Wochen zurück nach Europa bringt, freut sie sehr. Brian Mertes, der mit Julian Crouch das neue Regieteam des Salzburger Klassikers bildet, hat Gajic mit an die Salzach genommen. Mit Mertes hat sie schon viele Projekte gemeinsam umgesetzt, etwa Dostojewskis „Verbrechen und Strafe“ oder Freilichtproduktionen mit Stücken von Anton Tschechow. Sie erhielt für ihre Arbeiten unter anderem 2010 den New York Innovative Theatre Award oder den Barrymore Award for Excellence in Theatre (2012).

Den „Jedermann“ kannte Olivera Gajic vor ihrem Engagement nur dem Namen nach. Dass er in der Festspielstadt Salzburg so eine Bedeutung hat, hat sie erst später mitbekommen. „Eigentlich ein Glück. Dadurch konnten wir sehr unvoreingenommen an das Ganze herangehen.“ Die Idee, das Stück in der Zeit der ersten Aufführungen in den 1920er-Jahren anzusiedeln, gefällt Gajic sehr: „Es ist die perfekte Zeit dafür. Es bringt den Stoff näher an uns heran.“

Eine ihrer Lieblingsfiguren bei der Arbeit mit dem „Jedermann“ war der Tod. Selten erschien er so zart – Peter Lohmeyer trägt ein durchscheinendes weißes Kleid und hohe Schuhe. „Ich habe dabei an Nebel gedacht. Er ist da und doch nicht da“, erzählt die Designerin.

Sehr aufwendig war das Kleid der Buhlschaft, das mit tausenden zarten Swarovski-Steinchen besetzt ist. „Jedes Kristall wurde mit der Hand aufgetragen“, erzählt die Designerin, die den Mitarbeitern in der Kostümschneiderei der Salzburger Festspiele für ihre tolle Leistung Rosen streut.

Die Arbeit am „Jedermann“ ist für Gajic für die heurige Saison abgeschlossen, für nächstes Jahr hat sie schon wieder neue Ideen, um mit anderen Stoffen und Materialien die Wirkung der Kostüme noch zu verbessern. Zurück in der US-Metropole New York wartet viel Arbeit auf die Designerin, unter anderem soll sie Entwürfe für einen Film und Theaterprojekte fertigstellen.

Zur Person

Olivera Gajic ist gebürtige Serbin; sie studierte in Belgrad an der University of Fine Arts. Erste Kostümbilder entstanden für Theater und Fernsehen in ihrem Heimatland. 1999 wechselte sie zum Masterstudium an der University of Connecticut (Theatre Design) in die USA, wo sie bis heute lebt. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Für die „Jedermann“-Aufführungen bei den Salzburger Festspielen hat sie – in Zusammenarbeit mit Swarovski– die Kostüme entworfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2013)

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