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Als Aufräumer im Kinderzimmer kann man einer Volksetymologie aufsitzen. Beim Einkaufen auch.

Wer je auf Knien im Kinderzimmer gekrochen ist, um die dort verstreuten Legosteine in ihr Behältnis zu räumen, hat sich wohl dabei ertappt, das Wort „Lego“ mit einem Fluch zu kombinieren. Und wenn er einmal Latein gelernt hat, wird er sich vielleicht gewundert haben: Was sag ich da? Lego? Da heißt doch: Ich lese, ich sammle, ich klaube. Passt gut für das, was ich gerade tue! Kommt doch die Lektüre auch daher, dass man Buchstaben liest wie der Weinbauer die Trauben...

Doch leider. Der Firmenname Lego hat nichts mit dem lateinischen „legere“ zu tun, sondern kommt vom dänischen „leg godt“, das heißt „Spiel schön“. (Siehe auch Artikel oben.) Eine typische Volksetymologie also. Ähnlich wie die intuitive Erklärung für den Namen der Supermarktkette Spar: Das muss doch von „sparen“ kommen wie Billa von „billig“. „De Spar“ ist vielmehr ein Akronym des niederländischen Mottos „Door eendrachtig samenwerken profiteren allen regelmatig“, das heißt auf Deutsch: „Durch einträchtiges Zusammenwirken profitieren alle gleichermaßen.“ Und dieses Akronym bedeutet das, was man auf dem Firmenschild sieht: die Tanne.

Aber das ist ja das Schöne an Volksetymologien: Sie überzeugen. Auch die Wörter „Armbrust“ und „Hängematte“ suggerieren unwiderstehlich, dass sie mit „Arm“ und „Brust“, „hängen“ und „Matte“ zu tun haben. Haben sie aber nicht. Sie kommen vielmehr vom lateinischen „arcuballista“ bzw. vom haitianischen „hamáka“, das Erste heißt Bogenschleuder, was das Zweite heißt, weiß ich nicht.

Die intelligenteste absichtliche Volksetymologie hat m.E. das französische Popduo Justice geprägt: „Audio video disco“ heißt sein zweites Album. Drei lateinische Verben in der ersten Person: Ich höre, ich sehe, ich lerne. Ein Sinnspruch, der schon im alten Rom auf Schulen stand.

Im Pop-Zusammenhang liest man ihn anders. Sicher. Wer heute Audio für eine Ton- und Video für eine Bildaufnahme sagt, spricht lateinisch. Wer aber mit dem schönen Gefühl des Retro-Chic in die Disco geht, tut's vielleicht (auch), um etwas zu lernen. Das Wort aber kommt natürlich in Wirklichkeit von der griechischen Scheibe, vom Diskus, darüber müssen wir nicht diskutieren.

Spielen wir lieber, wie man's in der Blütezeit der Disco getan hat, Squash, das kommt vom selben Wort wie diskutieren, vom lateinischen „quatere“, treiben, stoßen, schütteln. In diesem Sinn: Lego quatio disco; shake baby shake. Die Welt ist eine Scheibe und besteht aus bunten Quadern.

E-Mails an:thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2014)

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