Börsen-Listing: London oder Moskau oder beides?

(c) EPA (Arne Dedert)
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Wegen der Sanktionen rät Russlands Regierung den Konzernen, von westlichen Börsen nach Moskau zu wechseln. Infrage kommt das aber nur für eine bestimmte Kategorie.

Wien. Die westlichen Sanktionen setzen nicht nur der stagnierenden russischen Wirtschaft insgesamt zu, sie verlangen von den börsenotierten russischen Firmen plötzlich Antworten auf eine Frage, die sich bisher so brisant noch nicht gestellt hat. Sollen sie auf westlichen Börsen – besonders in London – gelistet bleiben, oder doch sicherheitshalber den Handel ihrer Papiere auf die Moskauer Börse (Moex) übertragen? „Unmöglich“, sagte gestern etwa Wladimir Jewtuschenkow, Chef des Mischkonzerns Sistema, zu dem der führende Mobilfunkanbieter MTS gehört: Ein Delisting würde an die zehn Mrd. Dollar verschlingen.

Auch der zweitgrößte Gaskonzern, Novatek, dessen Hauptaktionär übrigens der auf der US-Sanktionsliste befindliche Putin-Intimus Gennadi Timtschenko ist, zieht keine Verlagerung in Betracht. Russlands größter Goldkonzern Polyus Gold indes hat eigenen Angaben zufolge noch keine Entscheidung getroffen und will die Frage weiter mit den russischen Behörden diskutieren.

Nicht der Westen hat die Frage aufgebracht, zumal 70 Prozent der russischen Aktien von ausländischen Investoren gehalten werden. Die russische Regierung ist es, die auf Nummer sicher geht. So hat der Erste Vizepremier, Igor Schuwalow, dieser Tage den Konzernen geraten, diesen Schritt zu prüfen.

Viele Fliegen auf einen Schlag

Ganz neu ist die Idee nicht. Seit einiger Zeit will die Regierung die verbreitete Praxis, Firmen auf steuerschonenden Off-Shore-Inseln zu registrieren, zurückschrauben, um vor allem den riesigen Kapitalabfluss zu stoppen. Das Delisting der Konzerne wäre Teil dieses Programms. Und es käme der Moskauer Börse entgegen, die sich als Handelsplatz auch quantitativ aufwerten will. Im Herbst hat ihr Chef Alexander Afanasiev im Interview mit der „Presse“ erklärt: „Viele Unternehmen reden mit uns über eine mögliche Rückkehr.“ Nun wohl umso mehr: „Die Zypern-Krise und die Sanktionen haben den Prozess angestoßen“, sagt Dmitri Lukaschow, Analyst bei IFC Markets, im Gespräch mit der „Presse“.

Russische Unternehmen sind ein wichtiger Faktor an den Börsen in London und New York. Von allen in London gehandelten Titeln kommen zwölf Prozent aus dem Ausland, von denen 90 Prozent russischer Provenienz sind. Das hat historische Gründe: Weil in Russland lange die Infrastruktur fehlte, vollzogen die Konzerne ihren IPO im Westen. Heute sind an die 40 russische Unternehmen im Westen gelistet. Wie für Schwellenländer typisch, geschah die Notierung meist in Form von Hinterlegungsscheinen (ADR oder GDR).

Angespannte Beamte

Da diese Scheine auch physisch in Depositorien im Westen lagern, könnten sie im Fall verschärfter Sanktionen eingefroren werden, sagt Lukaschow. Ein gewisser Ausweg wäre, vom Handel mit ADR-Scheinen auf einen mit Differenzkontrakt-Derivaten (CFD), die in Russland lägen, überzugehen.

Dass die Konzerne sich aber tatsächlich von den GDR-Scheinen lossagen, glaubt Lukaschow nicht, denn „es fehlt nicht nur der Mechanismus dafür, es brauchte auch viel Geld, um Minderheitsaktionären adäquate Offerte zu legen“. Durchaus zu erwarten aber sei, dass diejenigen Firmen, die bisher nur im Westen gelistet sind, nun ein zweites Listing in Moskau nachholen. Das betrifft Konzerne wie den Mobilfunkanbieter Vimpelcom, die Internet-Suchmaschine Yandex oder den Retailkonzern X5. Einige Firmen haben das zuletzt vorgemacht. Lukaschow: „Wenn alle auch in Moskau gelistet sind, wird sich die Anspannung der Beamten vielleicht legen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2014)

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