Vietnam: Leichtes Land, schwieriges Land

Hanoi
Hanoi(c) APA/EPA/LUONG THAI LINH (LUONG THAI LINH)
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Was es zu sehen gibt, war neulich hier nachzulesen. Aber man sollte zusätzlich ein paar ganz alltagspraktische Dinge berücksichtigen, wenn man in das Land mit den großen Distanzen und der fremden Küche aufbricht.

Was man unbedingt mitbringen muss, wenn man das Land sehen will – und nicht nur seine großen Städte –, ist Sitzfleisch, so ledrig wie möglich, nichts braucht man nötiger: Vietnam ist ellenlang, zwischen Hanoi im (kühlen) Norden und Ho-Chi-Minh-Stadt im (heißen) Süden liegen 1300 Kilometer. Die sind allerdings kein Problem, alle großen Distanzen sind keines, das Flugnetz ist gut ausgebaut. (Vorsicht: Bei eingechecktem Gepäck wird beim Verlassen des Flughafens kontrolliert, ob es einem wirklich gehört: Boarding-Card aufbewahren!)

Das Problem sind vielmehr die Wege, die auf der Landkarte harmlos aussehen. Da holpert man stundenlang dahin, im Wagen mit gemietetem Fahrer – selbst ans Steuer darf man nicht –, etwa im Mekongdelta. Das Rückgrat leiert aus, der Schädel dröhnt, endlich ist man da, bei einer Sehenswürdigkeit oder beim Hotel (Vorsicht: Gerade teurere liegen bisweilen in tosendem Lärm, am ärgsten ist es in Can Tho im Mekongdelta).

Dann muss man sich erst einmal erholen und stärken: Für Biertrinker ist Vietnam ein Paradies, es gibt viele lokale Brauereien (am besten ist Saigon green, gefolgt von LaRue), und man muss bei der Bestellung nicht um Worte ringen: „Bia“ heißt es. Weinfreunde sollten eher zu importierten Kreszenzen greifen, Käseliebhaber haben diese Chance nicht: Es gibt im ganzen Land keinen Käse, schlichtweg keinen, man ist schon froh, wenn sich irgendwo ein Eckchen „La Vache qui rit“ auf den Teller verirrt.

Wie das möglich ist, versteht man nicht, es gibt Rinder genug, auch Milch, und die gleich in solcher Vielfalt, dass man bei der ersten Kaffeebestellung verwirrt wird: Man ordert am besten „vietnamese drip“, der kommt mit einem kleinen Filter auf der Tasse – und mit der Kellnerfrage, ob man frische Milch wolle oder kondensierte. Der Reflex „frisch natürlich“ ist nicht für jeden die beste Wahl: Die Kondensmilch ist stark eingedickt und gezuckert, sie süßt den Kaffee.

Käse gibt es zum Frühstück trotzdem nicht – Joghurt auch kaum –, zu Mittag nicht, zu Abend nicht. Da hilft nur eines: ein gehobenes Restaurant, das auch französische Küche hat, Nachspeise inbegriffen. So eines gibt es etwa in Hue, präziser, es sind zwei, La Carambole, und seine Zweigstelle, Le Jardins de la Carambole, beide fein und erschwinglich (Tischbestellung ratsam), und man bekommt ohne Wimpernzucken auch nur eine Käseplatte, für passenden Roten hat der französische Wirt vorgesorgt.

Seafood und Schweinefüße

Sonst ist es mit dem Speisen in Vietnam gar nicht so einfach: Empfehlenswert ist, ganz im Ernst, das Flughafenrestaurant in Ho-Chi-Minh-Stadt, dort gibt es etwas, was man meist vergeblich auf den Karten sucht: Ente. Fleisch hingegen gibt es überall – Rind, Schwein –, aber oft ist die Qualität so unter jeder Qualität wie die Zubereitung. Eine große Ausnahme bietet Marylin's Cafe in Hanoi, es hat noch einen Vorteil: Es liegt an einem kleinen Platz im französischen Quartier, direkt neben einer Kirche, und vom Balkon im ersten Stock kann man das Getriebe und Gewusel in den Gassen betrachten, ohne unentwegt mithineingezogen und -geschoben zu werden.

Natürlich gibt es für Wagemutige auch exotische Speisen – Innereien etwa von allem und jedem, Hühner- und Schweinefüße und dergleichen –, die anderen hingegen sind beim Seafood auf der sicheren Seite, überall frisch, oft fein, etwa in Hoi An in der Mermaid. Die liegt in einer Straße mit unzähligen Schneidereien, in denen man abends Maß nehmen lassen und das gute Stück am Morgen darauf abholen kann, allerdings tut das kein Mensch, die Läden sind völlig leer. Anders die Mermaid, in der man, wenn man vom ewigen Seafood einmal genug hat, auch ein schlichtes Knoblauchbrot genießen kann. Die Zubereitung habe er von einem Gast gelernt, schreibt der Wirt in der Speisekarte, und das habe ihm „noch mehr Reichtum“ gebracht. Den hat er in inzwischen vier Gasthäuser in der Stadt investiert, etwa ins Morning Glory, das dick vom „Lonely Planet“ angepriesen wird, aber eher eine Enttäuschung ist (wie vieles in diesem Reiseführer).

Um das Mermaid herum liegen einige Geschäfte, in denen es anderes als den üblichen Touristenkitsch zu kaufen gibt, sogar Bücher. Nach denen hält man sonst vergeblich Ausschau. Angeboten werden von Straßenhändlern Raubdrucke bzw. -kopien (unbedingt kaufen, trotz erbärmlicher Kopierqualität: Bao Ninh, „The sorrow of War“, ein großartiger Roman über den Vietnamkrieg). Sonst wird man nur fündig, wenn man zum Rasten etwa auf die Trauminsel Phu Quoc fliegt und sich in eines der Resorts einmietet, die haben Bücherschränke, in denen Gäste zurücklassen, was sie ausgelesen haben.

Besonders fein ist das Resort Bo, es hat rund zehn Bambushütten und ein Restaurant, dort steht auch die Hausbibliothek. Und vielleicht ist das beste Buch ja noch da und nicht zu zerlesen, auch dieses ein großer Roman über Vietnams endlosen Krieg, das halbe 20. Jahrhundert hat er gedauert: Vincent Lam, „The Headmaster's Wager“.

DURCH VIETNAM

Verkehrsmittel. Flugzeug und Auto mit Chauffeur; Bahn empfiehlt sich eher nicht, es gibt nur eine Strecke, über die ganze Nord-Süd-Länge, das dauert, und die Reisebedingungen werden selbst in vietnamesischen Medien kritisiert; Fernbus empfiehlt sich eher auch nicht, manche fahren wie die Teufel.

Agentur. Handspan, mittlere Preislage, Niederlassungen in Freiburg/Breisgau, Ho Chi Minh City, Hanoi. In Letzterer geht es eher chaotisch zu. Hat man aber einmal gebucht, ist alles perfekt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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