Ikea-Hacker: Billy als Basis

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Platten, Schrauben, Holzdübel, Imbusschlüssel – alles streng nach Anleitung? Mitnichten. Die Community der Ikea-Hacker übt sich in der Kunst der Neuinterpretation.

Die Geschichte der Hacker ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Im allgemeinen Sprachgebrauch verstehen wir darunter einen Menschen, der Computer knackt, streng geheime Daten klaut oder bösartige Viren in Umlauf schickt. Dabei gibt es auch gute Hacker. Die suchen nach Löchern in Sicherheitssystemen, um sie zu stopfen, oder sie werken an Programmen herum, die sie der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Gemeinsam haben sie mit den bösen nur eines: „playful cleverness“, eine intellektuelle Bastelfreude, gepaart mit einer leicht anarchischen Abneigung gegenüber Dingen, die so sind, wie sie sein sollen und immer schon waren.

Und hier kommen die Ikea-Hacker ins Spiel. Der gewöhnliche Möbelhausbesucher arbeitet ja streng nach Plan, und wenn alle Bretter, Gitter, Schrauben, Muttern, Holzdübel und ein Imbusschlüssel verbraucht sind, hat er ein Regal, Bett oder Beistelltischchen, das in zigtausenden Haushalten rund um den Globus steht. Der Ikea-Hacker hingegen verwendet den Inhalt der flachen Pakete bestenfalls als Inspiration und bastelt – unter Zweckentfremdung weiterer Gegenstände – daraus ein Möbelstück, das es auf der Welt nur einmal gibt.

„Ikea ist die Antwort des 21. Jahrhunderts auf die Eisenwarenhandlung der 50er-Jahre“, schreibt der US-Architekt Mark Marcinik im Ikea-Hacker-Blog, „ein kostengünstiger Anbieter von ,Roh‘-Materialien.“ Mit dieser Einstellung – und vor allem deren Umsetzung – hat es Marcinik im vergangenen April sogar ins amerikanische Wohnmagazin „Sunset“ geschafft. Und Michael F. Zbyszynski, er hat aus Plastiksalatschüsseln Hi-Fi-Boxen gebaut, sagt: „Es geht darum, nicht einfach nur hinzunehmen, was zum Verkauf angeboten wird, darum, das Leben nicht bloß nach dem Motto „malen nach Zahlen“ zu leben.“

Weltweit werken

Marcinik und Zbyszynski sind nicht die Einzigen, die über die vorgezeichneten Linien hinausmalen. Im Blog ikeahacker.blogspot.com tummelt sich eine weltweite Community an Bastlern, Heimwerkern, Hobby- und professionellen Designern, um unter der Führung von Blog-Gründerin Mei Mei Yap die kreativsten Hacks zu präsentieren und zu diskutieren. Zu sehen gibt es da zum Beispiel ein Kleid, das in seinem Vorleben ein Duschvorhang war. Ein Computergehäuse mit einer Vergangenheit als Wäschekiste oder ein Spülbecken aus rostfreiem Stahl, das früher einmal eine Rührschüssel war.

„Der Do-it-yourself-Gedanke liegt nahe“, sagt Mei Mei Yap, die sich im Blog Jules – nach ihrem liebs-ten Ikea-Stuhl – nennt, „weil Ikea ja Systeme anbietet, in denen man, je nach persönlichem Geschmack, diese Tür und jenen Knauf verwenden kann. Das Hacken ist da nur ein Dreh weiter, eine Umwidmung sozusagen für die eigenen Bedürfnisse. Und außerdem ist da vielleicht auch noch das Gefühl, das Ikea-System mit der Eigenkreation ausgetrickst zu haben.“

Mei Mei Yaps Blog ist nicht der einzige Ort, an dem sich die Do-it-yourselfer treffen. Die Webseite Instructables etwa bezeichnet sich selbst als die weltweit größte Plattform für „show & tell“. Kochrezepte für Nicht-Köche sind dort ebenso zu finden wie Anleitungen zum Bau eines solarbetriebenen Brunnens, auch Zbyszynskis Salatschüssel-Hi-Fi-Boxen wurden hier erstmals präsentiert.

Schwedenwochen

Ähnlich breit gefächert geht es im Blog des amerikanischen Heimwerker-Magazins ReadyMade zu und auf der Plattform Etsy. 400.000 Mitglieder zählt die Etsy-Community, die Do-it-yourself-Entwürfe werden hier nicht nur präsentiert, sondern auch gehandelt. Dass sich darunter auch etliche Ikea-Hacker befinden, ist fast unvermeidbar. Für Etsy-Gründer Robert Kalin ist der Möbelriese wie ein natürlicher Rohstoff: „Wir gehen nicht in den Wald, um Holz zu sammeln. Wir wollen kein frisches Holz. Ein Müllcontainer oder Ikea, das sind die Orte, wo wir unser Rohmaterial ernten.“Design
Swedish Design Secrets. Die Ausstellung im Designforum porträtiert 17 schwedische Designerinnen (14. bis 25.11, designforum MQ).

Architektur
Josef Frank. Das Jüdische Museum widmet dem 1933 nach Schweden emigirierten Architekten eine Personale (22.11.2007 bis 20.1.2008, Jüdisches Museum, 1., Judenplatz 8).

Kunst für Kinder
Symposium „Das Recht auf Kunst ist ein Kinderrecht“, 20. bis 21. 11, Ovalhalle MQ, offizielle Abschlussrede durch die schwedische Königin Silvia.

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