Derek Lam: Herr der Noppen

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Asiatische Wurzeln, amerikanische Erziehung, europäischer Chef: Der Designer Derek Lam spürt als Kreativchef von Tod’s internationale Luxustrends auf.

Derek Lam springt mit einem Valentino-Sackerl die Stufen des riesigen Tod’s-Stores in Mailand empor, küsst rasch rechts, links die Wangen amerikanischer Journalistinnen, die sich die neue Kollektion ansehen, und eilt dann zu unserem vereinbarten Interview. Der Kreativchef der Luxusmarke Tod’s, der in den USA auch mit seinem eigenen Label erfolgreich ist, bestellt Kaffee, so wie er es immer macht, wenn er in Italien ist. Er mag Espresso. Kurz und stark. Aber nur bis drei Uhr nachmittags. Sonst kann er nämlich nicht schlafen.

Kaffee gibt es auf der ganzen Welt, aber überall schmeckt er anders. Sie haben Wurzeln in Asien, leben in den USA und arbeiten als Designer für eine europäische Marke. Wo spüren Sie noch so große Geschmacksunterschiede?

Ich schaue nicht wirklich auf die Unterschiede. Ich lege eigentlich eher Wert auf die Gemeinsamkeiten. Als Designer für eine weltweite Marke wie Tod’s sind mir internationale Trends sehr wichtig. Leute, die zeitgemäßen Luxus suchen, teilen am Ende des Tages dieselben Ideale. Sie arbeiten viel und sind aktiv. Und sie wünschen sich ein vollkommenes Leben. Ein Stück Luxus kann ein Schritt in diese Richtung sein und eine gewisse Bereicherung bringen – auch wenn es hoffentlich nicht das einzige Ziel im Leben ist.

Welche Gemeinsamkeiten suchen Sie genau?
Ich halte nach nichts Speziellem Ausschau. Ich versuche bloß zu verstehen, wie Leute ihren Wunsch, ihre Sehnsucht und ihr Verlangen nach Luxus ausleben. Und mit Luxus meine ich nicht nur das Produkt. Da meine ich den Lebensstil. Dazu gehört gutes Essen, Reisen und die Philosophie, dass ein Leben dann vollkommen ist, wenn man viele schöne Erfahrungen gemacht hat. Dann fühlt man sich zufrieden.

Apropos Reisen: Mögen Sie Europa?
Ich liebe die Kultur und die Geschichte, die sich überall in der Architektur und in der Gesellschaft widerspiegelt. Es gibt hier eine starke Kontinuität zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. In Amerika geht es immer nur um die Zukunft.

Tod’s ist ja ein mittlerweile auch ein sehr traditionsreiches Unternehmen. Waren Sie im Archiv?
Es gibt kein richtiges Archiv. Aber mir geht es wirklich nicht um Wiederholung. Der Driving Loafer zum Beispiel war immer der Driving Loafer und wird immer der Driving Loafer bleiben. Da gab es nie dramatische Veränderungen. Bei Tod’s ist die Vergangenheit immer enorm präsent. Damit gibt es eigentlich keinen Grund, in irgendwelchen Archiven zu wühlen. Wichtiger ist es, nach vorne zu blicken und zu sehen, was könnte neu und interessant sein.

Was könnte das sein?
Für uns geht es immer um die Kombination von Technologie und Handarbeit. Das ist meines Erachtens die Kombination, die den Luxus von heute ausmacht.

Ist es ein Unterschied, Mode für Tod’s oder Mode für Ihr eigenes Label zu machen?
Wenn man für mehrere Marken arbeitet, ist es wichtig, dass der Kunde merkt, dass die Philosophie des Designers dieselbe ist. Sonst wäre er nicht authentisch. Die Tod’s- Kollektion ist ja sehr speziell. Es ist keine große Kollektion, es sind Highlights. Meine eigene Kollektion in New York ist viel breiter und ich sehe sie als persönliches Statement, wenn man so will. Bei Tod’s denke ich viel darüber nach, wie die Kunden ticken und wie ihr Lifestyle unsere Produkte beeinflusst.

Die Sommerkollektion schreit mit bunten Farben. Was können wir im Herbst erwarten?
Als Amerikaner, der für eine große europäische Marke arbeitet, möchte ich immer europäische Kultur hineinbringen. Für Herbst habe ich mir Städte in Norditalien, in der Schweiz und in Österreich angesehen. Das hat mich sehr beeinflusst.

Waren Sie dafür auch in Wien?
Ja. Ich liebe Wien. Ich mag die Geschichte und finde die Stadt faszinierend. Sie ist ein Kreuzungspunkt zwischen West und Ost, sie ist dekorativ und prächtig, aber auch melancholisch, und es gibt da eine gewisse Anständigkeit. Ich mag solche Mixturen.

Das klingt fast wie New York ...
Ja, nur gibt es da weniger Geschichte.

Wie haben Sie Ihre asiatischen Wurzeln geprägt?
Ich merke schon, dass meine Philosophie, meine Ästhetik, mein Design, die Handarbeit, das Essen und die Art und Weise, wie wir uns selbst präsentieren, stark von der chinesischen Kultur beeinflusst sind. Das sind dort wichtige Elemente.

Ursprünglich wollten Sie Künstler werden. Jetzt machen sie Mode, die, zumindest aus künstlerischer Sicht, überaus tragbar ist.
Für mich ist Mode keine Kunst, Mode ist Handarbeit. Es ist eine Konversation zwischen dem Designer und der Person, die seine Kleidung trägt. Damit ist es ein Dialog zwischen zwei Personen und kein individuelles Statement. Und deswegen ist es keine Kunst. Ich mag aber die gegenseitige Befruchtung zwischen Designern und Künstlern. Das gibt mir eine ungeheure Befriedigung. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, es ist richtig, ich habe mich entschlossen, keine Künstlerlaufbahn einzuschlagen, weil es doch eine ziemlich einzelgängerische Beschäftigung ist.

Wie wichtig sind Accessoires momentan?
Bei Tod’s sehen wir auch Kleidungsstücke als eine Art Accessoire, weil wir nur sehr ausgewählte Stücke machen. Zu uns kommt man nicht, wenn man seine ganze Garderobe erneuern will. Die Kunden mögen Accessoires, weil sie damit ihren persönlichen Stil ausdrücken können. Das Prädikat „gut angezogen“ stand ja lange nur für eine gewisse Uniformiertheit, für gewisse Marken. Jetzt können gut Angezogene auch einfach ein T-Shirt und eine Hose anhaben und mit einer Tasche ihren Stil kreieren.

Wie haben Sie Tod’s-Chef Diego Della Valle kennengelernt?
Er hat angerufen. Wir haben etliche Gespräche geführt, um abzutesten, ob wir von der Philosophie her zusammenpassen. Wir gehen es langsam an. Jetzt werden wir zusammen weiterwachsen.

Wird es Änderungen geben?
Das muss nicht sein. Tod’s ist sehr erfolgreich. Wir haben sehr loyale Kunden. Es handelt sich mehr um Evolutionen als um Revolutionen. Außerdem sind dramatische Veränderungen nicht der Stil des Unternehmens.

Und Sie selbst mögen Valentino ...
Sie meinen wegen meines Sackerls. Ja. Das ist ein Geschenk für meine Mama zum Geburtstag.

Info

Derek Lam wurde von Tod’s-Chef Diego Della Valle geholt, um als Kreativchef neben Schuhen und Taschen auch Kleidung für die Marke zu designen. Seither pendelt er zwischen New York und Mailand.

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