Ein Burgbau wie im Mittelalter

Die Schmiede (links) und die Zimmerei sind fertig, jetzt entsteht der Burgturm.
Die Schmiede (links) und die Zimmerei sind fertig, jetzt entsteht der Burgturm.Burg Friesach Errichtungs-GmbH
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In Friesach bauen 30 Handwerker mit mittelalterlichen Werkzeugen und mittelalterlichen Methoden eine Burg. In 25 Jahren soll sie fertig sein.

Der Schweiß rinnt langsam über die linke Wange, noch zwei Schläge, Funken sprühen, das Eisen glüht orange-gelb, ein Schlag noch, jetzt ist der kleine Eisenstift schon zu kalt, er muss zurück ins Feuer. Das gibt dem Mann die Möglichkeit, sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen und kurz zu verschnaufen. Nach ein paar Minuten wieder: der Eisenstift kommt aus dem Feuer, Schläge, Funken sprühen.

Etwas abseits arbeiten zwei Männer auf einem Gerüst, das von Schnüren zusammengehalten wird. Einer haut mit einem Holzhammer lange Nägel in Schindeln, der andere sägt von Hand an einem Balken.

Oben auf einem Hügel steht ein Mann, einen Meißel in der linken Hand, einen Hammer in der rechten, und bearbeitet ein Stück Stein. Splitter fliegen herum. Es dauert, bis eine Seite des Steins flach ist. Dann legt der Mann den Stein zur Seite und holt den nächsten.


Baustelle ohne Lärm. Die große Baustelle hat eine Besonderheit: Man hört keinen Akkubohrer, keinen Presslufthammer, keine Motorsäge, keinen Generator, keine Mischmaschine, keine Kreissäge, keine Flex. Alles Dinge, die üblicherweise auf einer Baustelle Lärm machen. Nicht hier etwas außerhalb von Friesach in Kärnten. Denn die Anlage, die auf etwa 4000 Quadratmetern gebaut wird – eine mittelalterliche Höhenburg mit einem Wohnturm, eine Kapelle, ein Wirtschaftsgebäude, eine Ringmauer, eine Toranlage – wird so wie vor 800 Jahren gebaut: mit mittelalterlichen Werkzeugen und mittelalterlichen Methoden.

„Es ist eine Mischung aus einem touristischen und einem wissenschaftlichen Projekt“, erklärt Gerald Krenn. Der 46-Jährige ist „magister operis“, wie man im Mittelalter den Baumeister genannt hat, heute sagt man Projektleiter. Es ist eine für Österreich einzigartige Baustelle, selbst in Europa gibt es ähnliche Projekte nur in Frankreich und Bayern. Die Idee, eine Burg so zu bauen, wie man im Mittelalter gebaut hat, soll der begleitenden Universität Klagenfurt Einblicke in die weitgehend unbekannte Arbeitsmethoden geben und auch Touristen anlocken.

Dass die großen Ströme bisher ausgeblieben sind (im vergangenen Jahr waren es etwa 16.000 Besucher), hat vor allem damit zu tun, dass es bisher relativ wenig zu sehen gegeben hat. 2009 hat man mit dem Projekt begonnen, das von Gemeinde, Land, EU und dem Arbeitsmarktservice finanziert wird, und zwar so, wie man auch Ende des zwölften Jahrhunderts begonnen hat: Man legte eine Lichtung an, fällte Bäume, entastete sie, sägte Bretter und Balken, baute Wege, errichtete eine hunderte Meter lange Wasserleitung, grub Baumwurzeln aus – kurz: Man bereitete die notwendige Infrastruktur vor.

Mittlerweile stehen zwei große und ein paar kleinere Gebäude, für den Burgturm oben auf einem Hügel ist das Fundament gemauert (mit Kalkmörtel), rundum stehen ein paar Mauern, der Schmied hat immer etwas zu tun, ebenso die Zimmerer und sowieso die Maurer. 30Menschen sind mit dem Bau der mittelalterlichen Burg beschäftigt, und wenn man ihre Arbeit sieht, wirft das vor allem eine Frage auf: Wie haben es die Menschen einst geschafft, ein Schloss wie Neuschwanstein zu bauen, die Wiener Hofburg oder auch die nahe gelegene Burg Petersberg, die hoch über Friesach thront?

„Das waren schon beeindruckende Leistungen“, meint Krenn. „Vor allem körperlich.“ Früher hat ein Steinmetz von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang Steine gehauen. 2014 verbietet das schon das Arbeitsinspektorat, aber auch Krenn lässt die Arbeiter regelmäßig wechseln. Die Regelungen der Neuzeit sind auch für eine der wenigen modernen Accessoires verantwortlich: Steinmetze tragen Schutzbrillen, Schmiede Gehörschutz. Sonst aber wird in der „Kernzone“, die etwa 1,5Hektar groß ist, nur authentisch gearbeitet. Und deshalb auch sehr, sehr langsam. „Ein Lkw kann etwa zehn Kubikmeter Stein heranschaffen“, erklärt Krenn. „Unsere Ochsenkarren schaffen nur 700 bis 800 Kilogramm.“ Das ist etwa ein halber Kubikmeter. Und wenn Ochsen, Pferde oder Esel an diesem Tag nicht recht wollen, dann bekommt der Steinmetz oben nur drei statt fünf Lieferungen.

Alles dauert. Die Nägel für die Schindeln etwa, mit denen man das Dach deckte, wurden vom Schmied gemacht. Etwa 350 Nägel kann er an einem Arbeitstag schmieden, man benötigte 8000. Auch die 4000 Holzschindeln wurden händisch gefertigt. Und erst das Sägen der Bretter: Vier Meter ist der Baumstamm lang, 4500 Züge benötigen zwei Männer, um ein Brett herauszuschneiden – und danach eine lange Pause.


Selbst gemachtes Werkzeug. Das Blatt für die Zwei-Mann-Säge hat man speziell gefertigt, weil moderne Sägeblätter nicht für langsame Geschwindigkeiten gemacht sind. Wie die meisten Werkzeug, die die Mitarbeiter nach Originalen aus dem Museum oder nach Bildern nachgebaut haben. „Es gibt keine detaillierten Aufzeichnungen über das Werkzeug“, erklärt Krenn, der früher am Institut für Geschichte in Klagenfurt gearbeitet hat. „Wir wissen, dass Maurer mit Spitzkellen gearbeitet haben. Aber ob der Winkel 90 Grad oder 30 Grad war, das sieht man auf den Bildern nicht.“

Ähnlich ist es bei den Arbeitsmethoden. Zwar bietet etwa das Bundesdenkmalamt Kurse an, in denen man lernen kann, wie im Mittelalter gemauert wurde. Aber beim Zimmern ist man weitgehend auf die Fantasie der Zimmermeister angewiesen: „Wir arbeiten so, wie wir glauben, dass man im Mittelalter gearbeitet hat. Garantieren können wir es nicht.“

20 bis 25 Jahre wird es dauern, bis die ganze Anlage fertiggestellt ist (vorausgesetzt, es gibt weiterhin Förderungen). Im Mittelalter hätte sich der Bauherr – in Friesach baut man für einen Ministralen – nicht mehr lange an seiner neuen Burg erfreuen können: Die durchschnittliche Lebenserwartung lag bei etwa 40 Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2014)

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