Street-Style-Pioniere: "Wiener, traut's euch doch!"

Die Street-Style-Pioniere:
Die Street-Style-Pioniere: "Wiener, traut's euch doch!"Stefan Joham
  • Drucken

Ein Berliner Blogger und ein lokaler Fotograf wollen erkunden, wie sich die Stadt kleidet - und den Wienern zu neuem Selbstbewusstsein verhelfen.

Jean-Claude ist Blogger, kommt eigentlich aus Berlin, lebt in Wien und war schon modeaffin, als er noch Fußballer war. Er trägt eine geprintete Hose von Callisti, ein Basic-Hemd von Strellson und schwarze Schuhe und Sakko von Diesel. Stefan ist Fotograf und Filmemacher und hat sich aus seinen alten Basketballdressen von Liebler einen Anzug schneidern lassen. Dazu trägt er eine Hose von Diesel und Kobe-Bryant-Elite-Sneakers von Nike.

Etwa so würde sich wohl ein Eintrag zum Foto von Jean-Claude Mpassy und Stefan Joham in ihrem Street-Style-Blog lesen. Seit einem halben Jahr gehen die beiden in Wien auf die Pirsch, um auf diese Weise dem modischen Code der Stadt auf die Spur zu kommen. Getan haben das freilich vorher schon einige wenige, sagt Joham, aber mit einem professionellen Fotografen wie ihm sei sonst keiner unterwegs. Mehrmals pro Monat streifen sie fünf, sechs Stunden lang durch die Innenstadt oder über die Mariahilfer Straße, über den WU-Campus oder Naschmarkt. Fotografiert wird, wer gemeinsam erspäht und von Mpassy für stilvoll befunden wird. Und er ist streng.

Einige Fotografierte treffen sie seither immer wieder. Den Beamten mit dem gelben Frack, die Chinesin aus der PR-Agentur, den Nigerianer, „der sagt, dass er nur deshalb Wirtschaftsprüfer geworden ist, damit er Anzüge tragen kann“. Oberflächlich? Das Duo winkt ab. „Oft sind es charakterstarke Menschen, die sich das trauen.“

Ausstellung im Sneak In

Eine Ausstellung (Vernissage ist am Freitag im Sneak In) sei jedenfalls schnell das erste Ziel gewesen, „um zu zeigen, dass Wien auch eine Modestadt ist, und dass es Leute gibt, die überlegen, bevor sie außer Haus gehen, um damit ihren Charakter widerzuspiegeln“, sagt Mpassy. „Es ist der Versuch, den Leuten zu zeigen, was wir machen, und ihnen zu sagen: Traut's euch doch!“ Man müsse dabei auch nicht unbedingt auffallen, „aber bei näherem Hinsehen gut ausschauen“. Ihre Street-Style-Bilder sehen sie als Motivation, anders als Werbung und Lookbooks seien die Fotos authentisch.

Stefan Joham geht die Sache noch ein wenig missionarischer an. „Ich bin Fotograf geworden, weil du die Leute kurz aus der Reserve locken und ihnen ein Gefühl der Selbstbestätigung geben kannst. Als Fotograf hat man die Möglichkeit, die Welt zu verändern.“ Nachsatz: „Und Wien ist ein Anfang.“ Ein Urteil über die Stadt im Europa-Vergleich („auf jeden Fall klassisch“) erlauben sich die beiden indes noch nicht. „Wir sind noch am Sammeln.“

Fürs Treffen gewählt haben die beiden das Café Korb, Stefan Joham verehrt Besitzerin Susanne Widl, deren Kulturabende ihn durchaus geprägt hätten. „Sie ist eine Spitzenlady“, sagt er, und eines dieser Originale, die das Bild des echten Wien zeigen. Auch sein Vater ist so ein Original, Friseur Erich Joham, Haareschneider der U4-Generation, außerdem Aktionist, Kunstsammler und Fotograf. Der Vater wäre selbst wohl noch lieber Fotograf als Friseur geworden, mutmaßt Stefan Joham, und auf jeden Fall sei er der Grund dafür, warum er nun sein Geld mit der Kamera verdient. Schon als Sechsjähriger hatte er vom Vater seine erste Lomo bekommen, und auf Modenschauen, wo der Vater frisierte, die Models fotografiert.

Jean-Claude Mpassy ist als Sohn einer Deutschen und eines Kongolesen in Berlin aufgewachsen, kennt aber auch die Heimat seines Vaters, der etwa für die WHO arbeitete, gut. Bis vor Kurzem war der 28-Jährige Profifußballer. Vor vier Jahren kam er nach Wien, um Dolmetsch zu studieren. Mittlerweile arbeitet er bei Strellson und hat längst neue Ideen für das Street-Style-Projekt: Einen Städtevergleich innerhalb Österreichs, eine Competition bei der Fashion Week. Mittlerweile hat auch die deutsche „Vogue“ Interesse angemeldet.

Eine Frage des Alters ist der Stil, den sie suchen, jedenfalls nicht. Joham schaut auf, als eine ältere Dame in einteiligem schwarzen Hosenanzug und Hut das Korb passiert: Die wär doch eine passende Kandidatin für ein Foto.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.